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Teil II: Romantext als
KrÀftefeld942
manage with one only ?â457 Die feministische Schriftstellerin plĂ€diert fĂŒr eine
dezidierte Aufwertung von gemeinhin als âweiblichâ konnotierten Charakteris-
tika als gleichberechtigte Praxisformen, was erst eine wĂŒnschenswerte Breite
und Vielfalt menschlicher Empfindungs-, Handlungs- und ĂuĂerungsweisen
ĂŒberhaupt bewirke. Andererseits weiĂ sie auch um die Gefahr einer zu weit
gehenden Disjunktion der Geschlechter : â[T]o think [âŠ] of one sex as dis-
tinct from the other is an effort. It interferes with the unity of the mind.â458
Durchaus im Sinne des platonischen Einheitsmythos459 konstatiert Woolf ein
stĂ€ndig prĂ€sentes BedĂŒrfnis des Geistes, âas if, after being divided, it had come
together again in a natural fusion. The obvious reason would be that it is na-
tural for the sexes to co-operate. One has a profound, if irrational, instinct in
favour of the theory that the union of man and woman makes for the greatest
satisfaction, the most complete happiness.â460 Sie stellt sich in der Folge die
Frage,
whether there are two sexes in the mind corresponding to the two sexes in the body,
and whether they also require to be united in order to get complete satisfaction and
happiness ? And I went on amateurishly to sketch a plan of the soul so that in each
of us two powers preside, one male, one female ; and in the manâs brain the man
predominates over the woman, and in the womanâs brain the woman predominates
over the man. The normal and comfortable state of being is that when the two live
in harmony together, spiritually co-operating. If one is a man, still the woman part of
the brain must have effect ; and a woman also must have intercourse with the man in
her.461
Woolf beruft sich in ihrer BeweisfĂŒhrung auf Samuel Taylor Coleridges be-
kanntes Diktum : â[A] great mind is androgynousâ462. Sie interpretiert es ge-
mÀà ihrer skizzierten Vereinigungsvorstellung und leitet daraus intellektuelle
und kĂŒnstlerische ProduktivitĂ€t ab : âIt is when this fusion takes place that
the mind is fully fertilised and uses all its faculties. Perhaps a mind that is pu-
rely masculine cannot create, any more than a mind that is purely feminineâ ;
demnach könne ein kreativer Mensch nur entweder âman-womanlyâ oder
457 Woolf : A Room of Oneâs Own, S. 132.
458 Ebd., S. 145.
459 Vgl. Platon : Das Gastmahl [Symposion], S. 680â686 (189c-193d) ; dazu Aurnhammer : Andro-
gynie, S. 9â15.
460 Woolf : A Room of Oneâs Own, S. 147.
461 Ebd., S. 147 f.
462 Ebd., S. 148.
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208