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Teil II: Romantext als
KrÀftefeld990
mystischen Versenkung angesichts des Naturereignisses und dem âinteresse-
losenâ Wohlgefallen angesichts von Werken der Kunst ins Auge, was die au-
toreferenzielle Funktionalisierung der Liebes- und Mystikthematik fĂŒr Musils
Ă€sthetische Reflexion nahelegt. Die âmystischeâ Liebe zeichnet sich ja gerade
durch den scheinbaren âWiderspruchâ des âNicht-Besitzen-Wollen[s] des
anderenâ aus, âdas zugleich ein Vom-andern-nicht-besessenwerden-Wollen
istâ.607 Es ist in diesem Zusammenhang charakteristisch, dass Musil an an-
derer Stelle selbst die genannte Analogie bemĂŒht, wenn er etwa in seinem
Essay AnsĂ€tze zu neuer Ăsthetik âdas dunkle Gebiet des âanderen Zustandsââ
vom âpraktischen und faktistischen Normalzustand des Menschenâ abhebt
und die damit bezeichnete, allein ânegativ definiert[e]â Antithese am Beispiel
der Kunst exemplifiziert :
[Z]weckfreie Bewegung ist das Wesens des Tanzes, gegenstandsfreies Sehn das der
revolutionÀren Malerei ; das zugehörige Positum, die aktive Wesensbestimmung
fehlt oder ist Atelierquatsch. Dies weist weiter zurĂŒck auf den Begriff der zwecklosen
Schönheit und Kunst ĂŒberhaupt ; scheinbar [!] eine Welt fĂŒr sich, ist die der Schönheit
doch ungeschlossen, abgesprengt und im Geheimen negativ. (GW 8, 1147)
Den im Kunsterlebnis vorĂŒbergehend erreichbaren âanderen Zustandâ kenn-
zeichne
eine einzigartige Erregtheit durch das Leben. Der gewöhnliche Affekt oder die ge-
wöhnliche AktualitÀt erlebter ZustÀnde erscheinen im Vergleich mit ihr als etwas
Peripheres, was nicht ans Innere reicht ; die Empfindungen weisen nicht auf Dinge
auĂerhalb des Ichs, sondern bedeuten innere ZustĂ€nde ; die Welt wird nicht als ein
Zusammenhang dinglicher Beziehungen erlebt, sondern als eine Folge ichhafter Er-
lebnisse. (GW 8, 1153)
Die einmal etablierte Analogie zwischen Kunsterlebnis und âanderem Zustandâ
ist dazu angetan, die Ăhnlichkeiten und Differenzen zwischen Kunst und tat-
sĂ€chlicher Mystik zu offenbaren, wie Musil â das sei hier noch einmal eigens
betont â nicht zu bemerken vergisst : âBekanntlich ist dieser Zustand, auĂer in
krankhafter Form, niemals von Dauer ; ein hypothetischer Grenzfall, dem man
sich annĂ€hert, um immer wieder in den Normalzustand zurĂŒckzufallen, und
eben dies unterscheidet die Kunst von der Mystik, daĂ sie den AnschluĂ an
607 So Neumann : Androgynie und Inzest, S. 165, mit Blick auf Musils Novelle Die Vollendung der
Liebe (GW 6, 164 f.).
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208