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Teil II: Romantext als
KrÀftefeld1018
Arnheim wie das historische Modell Rathenau âseine Selbst-Formung als
Kunstwerkâ674. Das Geheimnis von Arnheims Erfolg â so lĂ€sst sich ein Be-
fund der Figurenanalyse ergĂ€nzend resĂŒmieren â beruht unter anderem auf
der Un(an)greifbarkeit und InkommensurabilitĂ€t, die er fĂŒr die Angehörigen
der einzelnen gesellschaftlichen Felder jeweils darstellt, was deren imaginÀre
Projektion betrĂ€chtlich anreizt. Dies gilt fĂŒr praktisch alle maĂgeblichen Ver-
treter, von denen Musils ErzÀhler berichtet ; die Rede ist da
[v]on den Diplomaten, welche das ihnen wesensfremde, aber wichtige Gebiet der
Wirtschaft mit der Vorsicht von MĂ€nnern behandelten, die einen nicht ganz ver-
lĂ€Ălichen Elefanten zu pflegen haben, wĂ€hrend er mit ihm in der Sorglosigkeit des
eingeborenen WĂ€rters umging. Von den KĂŒnstlern, denen er selten nĂŒtzte, ungeach-
tet dessen sie doch das GefĂŒhl hatten, mit einem MĂ€zen zu verkehren. Endlich von
den Journalisten, die sogar den ersten Anspruch hÀtten, daà man von ihnen erzÀhle,
weil sie es waren, die durch ihre Bewunderung Arnheim erst zu einem groĂen Mann
machten, ohne den verkehrten Zusammenhang zu bemerken ; denn man hatte ihnen
einen Floh ins Ohr gesetzt, und sie glaubten das Gras der Zeit wachsen zu hören.
(MoE 193)
Wie zu Beginn dieses Zitats nur angedeutet wird, unterscheiden sich Ulrich
und Arnheim zudem in kultur- und wissenssoziologischer Hinsicht durch den
althergebrachten habituellen Gegensatz zwischen wissenschaftlichem Spezi-
alistentum und eher feuilletonistischer Salonbildung, der eine lange Tradition
hat, wie Bourdieu vor Augen fĂŒhrt :
Es ist kein Zufall, daĂ der Gegensatz zwischen âSchulmeisterâ (oder âPedantenâ) und
âWeltmannâ zu allen Zeiten im Mittelpunkt der Debatten ĂŒber Geschmack und Bil-
dung stand : TatsÀchlich bezeichnet er vermittels zweier Weisen der Produktion oder
Bewertung kultureller Werke in aller Klarheit zwei gegensÀtzliche Modi des Erwerbs
und [âŠ] zwei unterschiedliche Verhaltensweisen zur Institution Schule.675
Hinsichtlich der habituell-stilistischen Differenz âin Verhalten und âEigenartââ
exemplifizieren die Figuren Ulrich und Arnheim dabei gleichsam idealtypisch,
674 So Barnouw : ZeitbĂŒrtige Eigenschaften, S. 173, in einer offensichtlichen Ăbernahme des kurz
zuvor von Stephen Greenblatt entwickelten und fĂŒr den New Historicism maĂgeblichen Kon-
zeptes eines âSelf-Fashioningâ.
675 Bourdieu : Die feinen Unterschiede, 126. Vgl. dazu allerdings auch die gewichtige EinschrÀn-
kung ebd., S. 131â133 : âDie Feststellung der Invarianten darf freilich nicht zur Verewigung eines
spezifischen Standes der Auseinandersetzungen fĂŒhrenâ etc.
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208