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Teil II: Romantext als
KrÀftefeld1094
1456), aber eben nur âim Geistâ â womit er ein intellektuelles âVorurteilâ be-
dient, wie der ErzĂ€hler ausdrĂŒcklich vermerkt.
Die erzĂ€hlerische Objektivierung der SchmeiĂer-Episode macht darĂŒber
hinaus die Problematik intellektueller PassivitÀt in einer Zeit der eklatanten
politischen Krise transparent.818 Wie Bourdieu angedeutet hat, entspricht
der scholĂ© auf Seiten des Habitus eine fĂŒr Intellektuelle typische Handlungs-
hemmung, die an Ulrich exemplarisch zu beobachten ist und seiner schein-
bar âortlosenâ Position im romanesken Feld der Macht entspricht. Hier zeigt
sich, âdaĂ die scholastische ZĂ€sur gegenĂŒber der Welt der Produktion befreit
wie zugleich trennt, den Zusammenhang auflöst und damit virtuell verstĂŒm-
meltâ, denn âdie Suspendierung ökonomischen und sozialen Drucksâ fĂŒhrt
hĂ€ufig dazu, âgibt man nicht besonders acht, das scholastische Denken in den
Grenzen jener ignorierten oder verdrÀngten Voraussetzungen einzuschlie-
Ăen, die der RĂŒckzug aus der Welt impliziertâ.819 Daraus folgt : âDie Auswir-
kungen scholastischer Abgeschiedenheit, noch verstÀrkt durch die akademi-
sche Erlesenheit und die des Zusammenlebens einer sozial sehr homogenen
Gruppe, können eine intellektuellozentristische Distanz gegenĂŒber der Welt
nur fördernâ820. TatsĂ€chlich erweist sich Ulrich in den âUnterhaltungen mit
SchmeiĂerâ in erster Linie als âintellektueller Spielerâ, so dass ihm der Sozialist
in der nachgelassenen Entwurfsnotiz von 1932 durchaus zu Recht vorhÀlt :
âSie sind ĂŒberheblich und spielen bloĂ.â (M II/1/22) Die Behauptung einer
trotz allem Perspektivismus letztlich doch eindimensionalen Bewertung des
SchmeiĂerâschen Sozialismus âals reine[r] Ăberkompensationâ821 greift bei
dieser vielschichtigen ErzÀhlkonstruktion jedenfalls zu kurz. Dementspre-
chend konstatiert Howald zur spĂ€testen ĂŒberlieferten Gestalt des geplan-
ten SchmeiĂer-Kapitels : âDie satirische Beurteilung Schmeissers selbst tritt
[âŠ] zurĂŒck zugunsten von dessen Funktion, Kritik an Ulrich vorzubringen.
[âŠ] Die weiteren Notizen auf dem âStudienblatt Soziale Fragestellungâ von
1933/34 zeigen denn auch, dass Musil, gerade angesichts der MachtĂŒbergabe
818 Zum historischen Kontext und zu Musils Strategie darin vgl. Amann : Musil â Literatur und
Politik ; Wolf : Geist und Macht.
819 Bourdieu : Meditationen, S. 25.
820 Ebd., S. 56 ; allerdings heiĂt es da weiter : âUnd paradoxerweise tritt die soziale und mentale
Abgeschiedenheit nie schlagender hervor als in den oft pathetischen und ephemeren Versu-
chen, AnschluĂ an die wirkliche Welt in einem politischen Engagement (Stalinismus, Mao-
ismus usw.) zu finden, dessen unverantwortlicher Utopismus und unrealistische RadikalitÀt
bezeugen, daĂ es sich bloĂ um weitere Spielarten der Leugnung der sozialen Wirklichkeiten
handelt.â Diese typisch intellektuellen âSpielartenâ sind bei Ulrich nicht zu finden.
821 So Schwanitz : BĂŒrgerlicher Relativismus, S. 466.
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208