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Teil III: Erzeugungsformel des Werks und Selbstobjektivierung des
Autors1106
von Austerlitz bis Otten und Werfelâ sowie die âMenschheitsfreundeâ zĂ€hlen :
âJedem bietet die groĂe Zeit Gelegenheit zum Wachstum seiner Hoffnungen.â
(Tb 1, 586) Josef Strutz schlieĂt aus diesen Worten, Musil habe âvon Werfels
BemĂŒhungenâ angenommen, âdaĂ sie nur das Vehikel einer Karriere seien : es
ging Werfel nicht um die Sache selbst, so könnte man Musils Worte auslegen,
sondern die Situation schien ihm gĂŒnstig zu sein fĂŒr seine eigene Etablierung
im Kulturbetriebâ.29 Als Indiz fĂŒr seine Deutung verweist Strutz auf den (oben
bereits analysierten30) Schlusssatz von Musils Besprechung der UrauffĂŒhrung
von Werfels Drama Bocksgesang am Wiener Raimund-Theater, die am 15.
MĂ€rz 1922 in der Prager Presse erschien ; Musil sagt darin dem ihm zufolge zu
selbstgewissen Autor dennoch â oder gerade deshalb â âErfolgâ voraus (vgl.
GW 9, 1561). In der historischen Bewertung Werfels gelangt auch Strutz zu
einem ernĂŒchternden Fazit :
Werfels Pazifismus, der ihm viele Freunde und AnhÀnger brachte, wird auch ange-
sichts seiner parteipolitischen ĂuĂerungen suspekt. Werfel hatte sich noch 1927 öf-
fentlich als AnhĂ€nger der Wiener Sozialdemokratie erklĂ€rt, als er â wie Musil â die
âKundgebung des geistigen Wienâ (Arbeiter-Zeitung, Wien, vom 20. 4. 1927, S. 1)
gemeinsam mit Frau Alma Mahler unterschrieb. Im Februar 1934 waren â seit den
Ereignissen des 12.2. â die Sozialdemokraten in einer katastrophalen Folge von Aus-
einandersetzungen mit Waffengewalt angegriffen und als politische Vertretung aus-
geschaltet worden. Werfel setzte sich keineswegs fĂŒr sie ein, sondern beeilte sich,
die autoritÀre Regierung unter Dollfuà irgendwie zu rechtfertigen. Gewià unter der
Drohung des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland, aber doch in einer Art,
die seinen pathetischen VerkĂŒndigungen wie auch seiner frĂŒheren Parteinahme fĂŒr
die Sozialdemokraten kraĂ entgegengesetzt war.31
TatsĂ€chlich konnte sich Werfel dann im austrofaschistischen StĂ€ndestaat âso-
gleich durchsetzenâ, ja erhielt von Bundeskanzler Schuschnigg am 19. MĂ€rz
1937 sogar das Ăsterreichische Verdienstkreuz fĂŒr Kunst und Wissenschaft
verliehen32, wÀhrend der notleidende Musil zur selben Zeit mit seinem An-
trag auf GewĂ€hrung einer staatlichen Gnadenpension â nicht zuletzt aufgrund
seiner zehn Jahre zuvor öffentlich erklĂ€rten UnterstĂŒtzung fĂŒr die Sozialde-
mokratie, die ja eben auch Werfel (aber ohne spÀtere negative Konsequenzen)
29 Strutz : Politik und Literatur, S. 90.
30 Vgl. die AusfĂŒhrungen zu Feuermaul in Kap. II.2.1.
31 Strutz : Politik und Literatur, S. 95.
32 Ebd.
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208