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Teil III: Erzeugungsformel des Werks und Selbstobjektivierung des
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des Mann ohne Eigenschaften zu der erst 35 Jahre spÀter entwickelten Feld-
soziologie bezeichnet zum einen Musils Potenzial in sozialwissenschaftlicher
Hinsicht und resultiert zum anderen aus seiner konzeptionellen Orientierung
an der Gestaltpsychologie bzw. der damals erst in Entstehung befindlichen
psychologischen Feldtheorie, deren konstitutive Konzepte wie âFelderâ, âStruk-
turenâ, âKrĂ€fteâ und âKrĂ€fteverteilungâ92 er in kongenialer Weise und ohne allzu
intensives soziologisches Studium93 auf das Gebiet der Gesellschaft ĂŒbertrĂ€gt
92 Vgl. Hoffmann : âDer Dichter am Apparatâ, S. 179 f.: âNach Köhlers Psychophysik der Gestalten
entspricht phÀnomenalen Gestalten physisch eine spontan ausgebildete Feldstruktur des erreg-
ten Sinnesbezirks. AbhÀngig soll die entstandene Struktur allein von den im Feld vorhandenen
KrĂ€ften sein, das heiĂt von den BetrĂ€gen der Einzelerregung an einem Ort des Feldes, von dem
dynamischen Zusammenhang der Gliederung des Geschehens im ganzen Feld, die daraus resul-
tiert und auf jeden Ort des Feldes zurĂŒckwirkt, und von den Randbedingungen, die das Material
setzt, in dem das Geschehen ablĂ€uft. Die Struktur, die daraus resultiert, lĂ€Ăt sich entsprechend
als âGruppierung skalarer und vektorieller GröĂenâ definieren, die Betrag und Richtung der im
stationĂ€ren Endzustand des Feldgeschehens gegebenen KrĂ€fteverhĂ€ltnisse anzeigen.â
93 Laut Kuzmics/MozetiÄ : Musils Beitrag zur Soziologie, S. 225, umfassen die angeblich bemer-
kenswerten Soziologiekenntnisse Musils âdie Werke von Pareto, Sorel, Oppenheimer, von
Wiese, Schumpeter und Max Weberâ ; es fehlen allerdings Belege fĂŒr umfĂ€ngliche LektĂŒren.
Neben kursorischen Verweisen auf Simmels ( ?) Soziologie der Mode (M Fragmente/4), in der er
â[n]achl
esenâ wolle, sowie auf dessen Soziologie (M IV/3/163) â Letztere im Kontext einer Lite-
raturliste zum Thema Massenpsychologie â verzeichnet Musil in seinen Arbeitsheften zahlrei-
che soziologische Publikationen, von denen ungewiss ist, ob und wie intensiv er sie tatsÀchlich
zur Kenntnis genommen hat : âJoseph Schumpeter âSoziologie der Imperialismenâ TĂŒbingen,
Mohr. Vorher in JaffĂ©s Archiv fĂŒr Sozialwissenschaft.â (H 10/82) âAus Oppenheimer, Franz,
Zur Soziologie von Krisenzeiten ibid.â (H 10/100) âMĂŒller-Lyer : Soziologie der Leiden.â (H
10/101) âBibliographie der Soziologie in : Eisler, Soziologie.â (H 21/55) âSpann, Kurzgefasstes
System der Gesellschaftslehre 1912 / Vierkandt, Staat und Gesellschaft in der Gegenwart, Wis-
senschaft und Bildung Bd. 132, Quelle & Mayer, Leipzig / Simmel, Soziologie 1908 / MĂŒller-
Lyer, Phasen der Kultur und Richtungslinien des Fortschritts 1915 / Gumplowicz, Grundriss
der Soziologie 1905 / SchÀffle, Grundriss der Soziologie 1906 / Squillace, Die soziologischen
Theorien 1912 / Below, Soziologie als Lehrfach 1920 / Handbuch fĂŒr Politik â ĂŒber Staat
und Gesellschaft ?â (H 19/Einlage 2) âBerolzheimer, Moral und Gesellschaft im 20 Jahrhundert
1914 / Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechtes 1913 / Ellis Havelock, Geschlecht und
Gesellschaft, GrundzĂŒge der Soziologie des Geschlechtslebens 1911 / MĂŒller-Lyer : Phasen der
Liebe / Buschan : Liebe, Ehe, Heirat bei allen Völkern der Erde 1914â16 / MĂŒller-Lyer, Formen
der Ehe / Westermark, Geschichte der menschlichen Ehe 1902 / Mayreder, Geschlechtsleben
und Gesellschaft 1913 / Gumplovicz, Nationalismus und Internationalismus im 19. Jahrhundert.
1902â (H 19/Einlage 3). Die bibliografischen Notizen der Beilagen zum Arbeitsheft 19 stam-
men eventuell aus dem âLiterarischen Ratgeber des DĂŒrerbundesâ, MĂŒnchen 1919 (vgl. den
Kommentar FrisĂ©s in Tb 2, 1137). âPaul Honigsheim / GrundzĂŒge einer Geschichtsphilosophie
der Bildung in / Soziologie des Volksbildungswesens hgg. v. Leopold von Wiese / Duncker &
Humblot 1921.â (H 25/13a [20]) âSieh an : [âŠ] Leopold von Wiese, System der allgemeinen
Soziologie, Duncker & Humblot, MĂŒnchen.â (H 34/26)
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208