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Teil III: Erzeugungsformel des Werks und Selbstobjektivierung des
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gemeinernden Denkens von Philosophie121 und Wissenschaft122 zu : Sie folgt
derselben erkenntnisgerichteten Ethik wie diese, bedient sich aber eines ande-
ren epistemischen Verfahrens.
Trotz seines erklĂ€rten Interesses am âinneren Menschenâ kritisiert Musil
gleichermaĂen die erzĂ€hlerische Verabsolutierung der subjektiven Innenpers-
pektive, die er nicht nur bei Knut Hamsun123, sondern auch bei seinen inter-
national wichtigsten Konkurrenten Marcel Proust124 und â mehr noch â James
Joyce wahrzunehmen meint. Dessen neue, subjektivierende Form der âBe-
richterstattungâ â man wird hier insbesondere an das berĂŒhmte 18. Kapitel
aus dem Ulysses denken dĂŒrfen125 â, welche âdie Auflockerung der logisch ge-
schlossenen ErzÀhlungsform bis zum logisch, ja psychisch beinahe Asyntak-
tischenâ treibe126 und damit letztlich die kĂŒnstlerische âForm auflöse[ ]â127,
121 Im Arbeitsheft 33 erwĂ€hnt Musil die âErkenntnis, daĂ ein Dichter nicht bis zum philosophi-
schen System vordringen soll (und kann)â (Tb 1, 928). Dazu auch die bereits zitierte, nietzsche-
anisch anmutende Sentenz aus dem Mann ohne Eigenschaften : âPhilosophen sind GewalttĂ€ter,
die keine Armee zur VerfĂŒgung haben und sich deshalb die Welt in der Weise unterwerfen, daĂ
sie sie in ein System sperren.â (MoE 253)
122 Vgl. den frĂŒhen Essay Das UnanstĂ€ndige und Kranke in der Kunst (1911) : â[D]ie Kunst stellt nicht
begrifflich, sondern sinnfÀllig dar, nicht Allgemeines, sondern EinzelfÀlle, in deren komplizier-
tem Klang die Allgemeinheiten ungewià mittönen, und wÀhrend bei dem gleichen Fall ein
Mediziner fĂŒr den allgemeingĂŒltigen Kausalzusammenhang sich interessiert, interessiert sich
der KĂŒnstler fĂŒr einen individuellen GefĂŒhlszusammenhang, der Wissenschaftler fĂŒr ein zu-
sammenfassendes Schema des Wirklichen, der KĂŒnstler fĂŒr die Erweiterung des Registers von
innerlich noch Möglichem [âŠ]. Sie [die Kunst] legt die Personen, Regungen, Geschehnisse,
die sie bildet, nicht allseitig, sondern einseitig dar.â (GW 8, 980 f.)
123 Dazu folgender Eintrag ins Arbeitsheft 5 : âEine Persönlichkeit ist der Ausgangs- und Flucht-
punkt alles dessen, was gesagt wird, und dessen, wie es gesagt wird.â (Tb 1, 215)
124 Vgl. Adorno : Standort des ErzĂ€hlers im zeitgenössischen Roman, S. 44 : âAn Empfindlichkeit
gegen die Form des Berichts hat keiner Marcel Proust ĂŒbertroffen. Sein Werk gehört in die Tra-
dition des realistischen und psychologischen Romans, auf der Linie von dessen subjektivistisch
extremer Auflösungâ. Zu Musils Proust-Bild bzw. zu seiner Ablehnung eines Proust-Einflusses
vgl. den Briefentwurf an Niels Frederic Hansen, 30.1.1939 (Br 1, 928).
125 Vgl. Joyce : Ulysses, S. 608â644.
126 So im Essay Literat und Literatur (GW 8, 1210 f.).
127 So im Brief an Walther Petry, 30.3.1931 (BrN 14). Nach Adorno : Standort des ErzÀhlers im
zeitgenössischen Roman, S. 42, âhat Joyce die Rebellion des Romans gegen den Realismus mit
einer gegen die diskursive Sprache verbundenâ. Diesen Befund bewertet er allerdings ganz an-
ders als Musil : âDie Abwehr seines Versuchs als abseitig individualistischer [sic] WillkĂŒr wĂ€re
armselig.â Dass sich diese Kritik nicht gegen Musils pro domo geĂ€uĂerte EinwĂ€nde, sondern in
erster Linie gegen klassizistische Positionen Ă la LukĂĄcs richtet, zeigt der unmittelbare Fortgang
der Argumentation : âZerfallen ist die IdentitĂ€t der Erfahrung, das in sich kontinuierliche und
artikulierte Leben, das die Haltung des ErzĂ€hlers einzig gestattet.â Musil hĂ€tte diesem Befund
ohne Abstriche zugestimmt, zog daraus aber andere Àsthetische und erzÀhltheoretische Konse-
zurĂŒck zum
Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208