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2.3. DIEZEIT INGEORGENSGMÜND 85
VonGrobheitendieserArtgegenmichhabe ichschonoben imZusammenhangmitAnni
erstmals gesprochen. Hier also eine zweite dieser Art. DasMotiv für beide könnte Neid
gewesen sein: bei Anni derNeid der nochKinderlosen auf die Schwester, die schon einen
Buben hatte, bei demMitschüler, ein einfacher Bauernbursche, der Neid auf einen aus
seiner Sicht vomLehrer bevorzugt behandeltenKlassenkameraden, der alsKlassenbester
nurEinsen imZeugnis bekam.
Leben inGmünd
InGmündlernte ichunterder Anleitung meinerMutterFahrradfahrenundSchwimmen.
Beide Erlebnisse sind mir noch sehr lebendig in Erinnerung. Zum Fahrradfahren setzte
michmeineMutter auf ein Fahrrad auf einer leicht abwärts führenden Straße, versprach
hochundheilig,michhintenamGepäckträger fest zuhaltenund los gingdiewunderbare
Fahrt. Daß siemich längst losgelassen hatte, habe ich in der Freude über die Bewegung
nichtmehr gemerkt: einCrashkurs par excellence ich konnte ab sofort Fahrradfahren.
Das Schwimmenwurdemir in der gleichenManier beigebracht, die für meineMutter
nicht ganz untypisch war. Am Zusammenfluß der schwäbischen und fränkischen Rezat
warfmichmeineMutter einfach ins tiefeWasser, sodaßmir nichts anderes übrigblieb, als
ans Ufer zurück zu strampeln. Dies erst einmal geschafft, warmeine Angst weg und ich
konnte schwimmen, oder besser gesagt, beginnen schwimmenbesser zu lernen.
Dies soll keinPlädoyer für die vonmeinerMutter praktizierten, etwas grobschlächtigen
Lehrmethodensein.DerKontrastzurübermäßigängstlichenFürsorgeheutigerMütter für
ihreKinder könnte diesen aber durchaus zu denken geben. Für eine solcheÜberfürsorge
war damals aufgrund der hartenVerhältnisse einfach keinRaumgegeben. Der trotzdem
resultierende gute Erziehungserfolg könnte daher ein Fingerzeig für ein ausgewogeneres
Mittelmaß in dieser Hinsicht sein. Ich bin jedenfalls überzeugt davon, daß es einen kau-
salen Zusammenhang gibt zwischen solchen unter der ObhutmeinerMutter, zu der ich
tiefstesVertrauenhatte, gemeistertenHerausforderungen einerseits undmeinemwährend
meines ganzen Lebens vorhandenen inneren Sicherheitsgefühl auch in gewagten, dabei
aber kontrolliert beherrschten Situationen andererseits.
ImÜbrigenwaren diese Jahre inGmündgemessen andendamaligenNotverhältnissen
der Nachkriegszeit aus Sicht eines Kindes durchaus keine schlechten Jahre für uns.Wir
hatten eine brauchbare, wenn auch nicht ausgesprochen komfortableWohnung in einem
eher bäuerlich geprägtenHausmit einem separaten Scheunengebäude. In derKüche gab
esbeispielsweise einenholzgefeuertenHerd.DieToilettewar außerhalbdesHauses ander
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427