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2.4. NEUANFANGINNÜRNBERG 107
Daß ich damals als Junge von etwa zehn Jahren mich noch heute an all dieseWid-
rigkeiten (mit Ausnahme der Anstellungsproblematik) lebhaft erinnere, zeigt, wie stark
dieseProblememeineElternunddamit die ganzeFamilie seinerzeit belasteten.Eswurde
ihnenunddamit uns allenwie gesagtwahrhaft nichts geschenkt.Aberwir habenalles er-
folgreichdurchgestanden, nicht zuletzt auchdeshalb,weil es trotz all dieserRückschlägen
insgesamt doch spürbar aufwärts ging, wovon nunmehr dieRede sein soll.
2.4.2 Trittfassen
Die vielenWidrigkeiten, die im vorangegangenen Abschnitt beschrieben wurden, haben
denNeuanfangmeiner Eltern imwiederaufgebautenHaus zwar erschwert, ihren Lebens-
mut aber keineswegs zerstört. Gemeinsamund jedes Familienmitglied für sich habenwir
alle zusammengeholfen, inderneuenaltenUmgebungwiederTritt zu fassen.FürdieKin-
der sind die Jahre 1947 bis 1949 daher eher von guten Erinnerungen geprägt. Eines der
schönsten, auf einer der vielenWanderungen entstandenen Bilder, das diese Stimmung
jener Jahre fotografischmeisterlich einfängt, zeigtWolfgang,Mama undAnnelore in in-
nigstem Einvernehmen, das echtes Glück bei allen ausstrahlt. Der Vater ist zwar nicht
sichtbar abgebildet, ist als der Fotograf unsichtbar aber spürbar dabei.102
Ich erinneremichbeispielsweise, daß ich vorWeihnachtenunter der ermunterndenund
verständigenAnleitungmeinesVaters eifrigundpeinlichgenauNadelzweigegemalthabe.
Oberflächlich betrachtet eine unbedeutende Reminiszenz. Gleichwohl hat sich diese Be-
schäftigungsichernichtgrundlos so tief inmeinGedächtnis eingegraben,wobeidasMalen
selbst,diegenaueBeobachtungderechtenZweigeundvorallemdievolleAufmerksamkeit
undAnerkennung desVaterswichtigeGründe dafür sein dürften.
Weihnachtenwar immereinherausragendes familiäresEreignis, beidemmeinVater für
denBaumschmuck zuständig war. FürmeineMutter war das Fest immer eine ziemliche
Strapaze wegen ihres Strebens nachPerfektion imHinblick auf die Sauberkeit derWoh-
nung,wegendes aufwändigenGänsebratens undder vielen fränkischen rohenKlöße samt
derGeschenke und allemDrumundDran.
Wann immer möglich, versuchte ich aus dem weiteren Familien- und Freundeskreis
Zuschauer für das von mir betriebene Kasperltheater zu gewinnen. Dazu besaß ich ein
kleines bemaltes Theaterhaus mit Bühnenfenster und eindrucksvoll geschnitzte und be-
malte Figurenköpfe mit passenden Gewändern darunter: einen sympathischen Kasperl,
einen richtig teuflischenTeufelmit tiefrotemKopfusw.Damit fantasierte ichmir,manch-
102FAWB2, S.47.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427