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2.2. KRIEGSJAHRE 57
Die vonmeinemVater stammendenTexte lassen aus heutiger Sicht an der einen oder
anderenStelledurchausauchaufhorchen.Beispielsweise spricht er vonden schwerenund
doch so schönenTagendesPolenfeldzuges .19Nun,dasDokument istalsoffiziellerBericht
für die 21er konzipiert und 1940 fertiggestellt. Da gehörte es wohl zum guten Ton, den
Stolz der deutschenWehrmacht auch in entsprechendenWorten zumAusdruck zu brin-
gen. OffensichtlichwarmeinVater aber auch selbst durchaus ein stolzer und ehrgeiziger
Soldat.Dabeiwar er nachmeinerEinschätzung zeitlebens eine eher vorsichtige, in jedem
Fall umsichtige Persönlichkeit und alles andere als ein Haudegen wie beispielsweise sein
damaliger Kamerad Schuler. Aber vielleicht gerade deshalb gab ihm die soldatische Ge-
meinschaftwohlHaltundverlieh ihmStolz.Es ist jedenfallswenigwahrscheinlich,daß ihn
als überzeugtenPatrioten zu jenerZeit sonderlichkritischeGedanken imZusammenhang
mit diesemKrieg geplagt hatten. Daß dies ein vonHitler angezettelter Aggressionskrieg
war, hat er sich wie so viele damals wohl einfach nicht klar gemacht bzw. infolge
des Fehlens einer freienPresse auch nicht klarmachen können.20
2.2.2 Die erstenKriegsjahre
Die folgenden drei Jahrewaren für die Familie trotz desKrieges vergleichsweise normale
Jahre. Ich habe keine sicheren Informationen über dieTätigkeitmeinesVaters nach dem
og.Februar1940undvorseinemEinsatzanderOstfront imMai1943.Dieeinzigenbeiden
Bilder von ihmausdieserZeit zeigen ihn inUniform.21Nach seinen eigenenAngabenwar
er bis zum31.8.1942 noch immer im Inf.Reg.21 und ab dem1.9.1942 im Inf.Reg.42.22 In
einer handschriftlichen nach dem Krieg erstellten Notiz hält er fest: Wolfis Kinderzeit
fiel in die schrecklichenKriegsjahre. Sein Vater war Soldat, dieMutter führte allein das
Hausregiment. Aus solchemundweiteremKontext schließe ich,daß er indendrei Jahren
1940 1943 als Oberleutnant weiter in der Heimat diente und daher relativ oft auch zu
Hause sein konnte.
Übermich schreibenmeinVater: Ein braves, sonnigesKind undmeineMutter: Wolfi
war ein lieber drolligerBub, immermit einemspitzbübischenLächelnu. vollerÜbermutu.
19FAHB3, S.53.
20Inzwischen ist das zugrunde liegende menschliche Verhalten vor allem durch das Milgram-
Experiment überzeugend geklärt: Wir töten und foltern fast alle, wenn es von der Autorität be-
fohlen und in einem scheinbar alltäglichen, aber kriminellen Kontext wie dem Nationalsozialis-
mus erfolgt , wie Niels Birbaumer in Das Böse beginnt im Gehirn, Hirnforschung mit Straf-
tätern schreibt (http://www.faz.net/aktuell/wissen/mensch-gene/hirnforschung-mit-straftaetern-das-
boese-beginnt-im-gehirn-13649029.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 , Zugriff 23.6.2015).
21FAHB1, S.51, FAWB2, S.20.
22Fragebogen vom8.2.1947, Personalakt S.80ff, aaO. Fußnote 14.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427