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2.2. KRIEGSJAHRE 59
wieder insAllgäu, diesmalnachMaderhalmbeiFischen/Oberstdorf. 1942ging esdann in
dergleichenRegionnocheinStückchenweiter,nämlichzumerstenMal insHausElferblick
inHirschegg imKleinwalsertal. Aber davon dann erst später.
Mit 2 Jahren hatteWolfi eine schwere Lungen- u. Rippenfellentzündung u. hing sein
Leben an einem Faden. Es war Kriegszeit u. fürchtete man nebenbei immer, daß man
mit dem schwerkranken Buben in den Keller bei Alarmmußte. ZumGlück hatte er sich
bald wieder erholt. 25Damit erzählt meineMutter einerseits von der Fortsetzung in der
Reihe meiner Kindheitserkrankungen. Mein Vater bestätigt: Wolfgang hat s. Eltern in
den ersten Lebensjahren viel Sorge bereitet. Er war empfindlich und viel krank.
Meine Mutter deutet in dieser Notiz andererseits darauf hin, daß auf diesen relativ
unbeschwerten Jahren eben doch auch immer der Schatten des Krieges lag. Abgesehen
von der Tätigkeit meines Vaters beimMilitär, die dem Sohn natürlich nicht verborgen
bleibenkonnte,warNürnberg gezielt imFokusder alliiertenLuftangriffe,26 die 1940noch
recht harmlos begannen, Jahr für Jahr stärker wurden und ab 1944 dann massiv die
weitgehendeZerstörungder ganzenStadt zurFolge hatten.Bei Fliegeralarm mußte die
Bevölkerung entsprechende Schutzräume aufsuchen.DerAuslösung eines solchenAlarms
folgte häufig keinAngriff und es gab nach einer geraumen Zeit wieder Entwarnung. Für
Kinderwardie Situation, vor allemnachts, danngleichwohl beängstigendund für kranke
Kinder eben ein zusätzliches Problem.
Zudemhatte unserHaus nur einenwinzigen und feuchtenKeller, der denAnforderun-
genan einenLuftschutzraum inkeinerWeise entsprach,27 sodaß ichmirdie Situationvon
dreiMietparteien darin angesichts derAlarme gar nicht vorstellenmöchte.DieBehörden
haben imVerlaufe desKrieges die geeigneten Schutzräume identifiziert bzw. nötigenfalls
neue geschaffen und die Bevölkerung in diese entsprechend eingewiesen. Nach einermei-
ner sehr frühen eigenen Erinnerungen wurden wir angesichts unseres winzigen Kellers
später mutmaßlich um das Jahr 1943 in den Keller des Gebäudes auf dem nörd-
lich von uns gelegenenGrundstück eingewiesen. Das noch heute bestehende und erst
jüngst (2014) grundsanierte Gebäude gehörte damals demweithin bekanntenAnwalt
Thorwart, der beispielsweise nach dem Krieg auch als Verteidiger bei den Nürnberger
Kriegsverbrecherprozessen tätig war. Als Staranwalt hatte er auch einen entsprechenden
Habitus gegenübernormalenSterblichenwie seinenunmittelbarenNachbarn: eshattenie
auch nur den geringstenKontaktmit ihnen, auch nur über den Zaun, gegeben. Die Ein-
252016wurde imoberenLappenmeines linkenLungenflügels ein3x2cmgroßesGebilde festgestellt, das
vielleicht noch von der damaligenLungenentzündung stammen könnte.
26http://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriffe_auf_Nürnberg.
27EinwichtigesKriteriumdafür ist beispielsweise der Schutz vor der teils ungeheurenDruckwelle, die
mitBombeneinschlägen verbunden ist undmenschliche Lungen zerreißen kann.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427