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2.2. KRIEGSJAHRE 61
auf ein Viereck bestehend ausmassiven Balken.30Mit ihnen konnteMaterial vom einen
zumanderenEnde desGeländes transportiert werden. Auf ihnen konnteman aber auch
wunderschönüber dasGelände rollen,wasmeineSchwester undweitereKinder natürlich
liebend gerne taten, auchwenn es Ihnen eigentlich untersagtwar.Meine Schwester hatte
als die dreieinhalb Jahre Ältere natürlicherweise oft denAuftrag, aufmich aufzupassen.
Also packt man den kleinen Bruder halt einfach auf den hinteren Querbalken mit den
Füßen in das Innere desVierecks und ab geht die Fahrt. Für derartigeUnternehmungen
war dieser aber noch viel zu unerfahren undunbeholfen. Er verlor auf dem freienBalken
denHalt undkam imwahrstenSinnedesWortes unter dieRäder .Mit einemBruchdes
linkenOberschenkelswurde ich insCnopfscheKinderspital inderHallerwiese inNürnberg
gebracht.
An eine solche Rollwagenfahrt, vielleicht genau die hier beschriebene, kann ich mich
noch gut erinnern. Das Unglück selbst und den Transport ins Krankenhaus, die beide
sicher von furchtbaren Schmerzen begleitet waren, hatmeinGedächtnis wohl für immer
ausgeblendet.AndieSituation imKrankenhausgibtesdagegendannwiederErinnerungs-
fetzen. Ich lag dort für mehr als einenMonat im Streckverband . Das heißt, daß mein
linkesBeinaneinemamunterenBettendeangebrachtenGestellquasi senkrechtnachoben
gezogen hing, und das fünf ganzeWochen lang! Ein geduldiger, braver Patent schreibt
meinVater. Heldenhaft tapfer trug er sein Los u. bei jedemBesuch empfing er uns mit
Lachen u. wenn wir gingen, verdrückte er die Tränen formuliert esmeineMutter. Und
weiter: Es war für uns Eltern eine kummervolle Zeit, zumal in Nürnberg der Bomben-
krieg begannu. dieSorge,wenndieKinder imSpital indenKellermußten, doppelt schwer
war.
An meinem vierten Geburtstag kam ich aus dem Krankenhaus wieder nach Hause,
leider immer noch schwer krank. ImSpital bin ich nämlich durch Infektion an Scharlach
erkrankt, was dort in diesenKriegszeiten nicht erkanntwordenwar.Der Scharlach hatte
dannnochzusätzlich eine schwereNierenentzündungzurFolge.Mutter: ... gleich in der
ersten Nachtmußteman ihnmit in denKeller stecken u. langeWochen brauchte es, bis
er sich von dieser schweren Krankheit wieder erholte. Vater: Nur aufopfernder Pflege
seinerMutter verdankt er seineGenesung.
FünfWochen imKrankenhausundunmittelbar anschließend langeWochen imBett
zu Hausemacht zusammen jedenfalls mehr als zweiMonate als darnieder liegender Pa-
tient. Ein derartiger Einschnitt in der kindlichen Entwicklung hinterläßt mit Sicherheit
tiefeSpuren imCharakter,wie immerauchdiese ausgeprägt seinmochten.Worandamals
30FAWB2, S.27, wo sowohl die Schienen aufmehrerenBildern und einRollwagen auf demBild rechts
unten zu sehen sind.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427