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80 KAPITEL2. KINDHEIT
setzt und am 29.9.1937 schließlich aus dem Schuldienst aus rassepolitischen Gründen
entlassen, weil seine Frau Jüdin war. Letztere wurde dadurch in Verzweiflung getrieben
undnahmsicham16.10.1937, also gut zweiWochendanach, dasLeben.71Dieser vonden
Nazis schamlosgeschädigteundgedemütigteMannbescheinigtHansBibel zunächst seine
demokratische und antinationalsozialistischeGesinnung, verweist auf die führende Rolle
in der Junglehrerbewegungundmutmaßt, dass er durch besondereUmstände gezwungen
wurde Parteimitglied zu werden . Aber erst der darauf folgende persönliche Teil könnte
überzeugender nicht sein und stelltmeinenVater so dar,wie auch ich ihn immer gekannt
habe: Trotzdem ich also einUnzuverlässiger, ein vom 3.ReichBestrafter war, hat Hans
Bibel nach wie vor mit mir verkehrt. Er hat sich nicht, wie so mancher zurückgezogen,
hat nachwie vor uns in unsererWohnung besucht, hat auch gegenmeine Frau, die Jüdin
war, dasselbe freundschaftliche Verhalten an den Tag gelegt, wie wir es seit Jahren von
ihm gewohnt waren. Dazu hat nach meiner Entlassung Mut gehört. Herr Bibel hat ihn
besessen.Wer sich so verhält kann keinNazi sein.
Auch die nächsten drei Gutachten stammen von herausragenden pädagogischen Kol-
legen, nämlich von demDirektor des Jugendamtes in Nürnberg, Herrn Andreas Staudt,
dem kommissarischen und später auch offiziell ernannten Stadtschulrat und Rek-
tor inNürnberg,HerrnOttoBarthel,72 und dem (damals noch kommissarischen)Rektor
HansBraun aus Fürth. Sie alle bescheinigen ihm seine antinationalsozialistische und de-
mokratischeEinstellung. Er stand in denReihen derer undwar dafür überall bekannt
, die obwohl Mitglied der Partei, doch in der Opposition waren. (Staudt) Es ist mir
bekannt, dass er im Kampf gegen massgebende Leute des NSLB die Rechte des Bayer.
Lehrervereins und pädagogisch sozialeBelangemitEntschiedenheit wahrnahm. (Barthel)
Braun schildert einenVorfall bei derKonferenzderNürnbergerOberklaßlehrer, dieMitte
1938 imLuitpoldhaus stattfand und in der er, Braun, vomdamaligen städtischen Schul-
ratDossler in schärfstemTon öffentlich gerügt wurde. Trotz der gereizten Auseinander-
setzung meldete sich nun Herr Bibel und unterstrich in tapfersterWeise die Richtigkeit
meiner Ausführungen. Auch er, schon als Nazi-Gegner bekannt, setzte sich dadurch bei
der Schulbehörde zu seinemNachteil in ungünstiges Licht.
DasfünfteGutachtenstammtvoneinemFacharzt fürDermatologieausSaarlouis,Herrn
Dr.WilhelmStockhausen, der 1943/44 alsTruppenarzt in der damals vonmeinemVater
befehligtenKompanie diente. Es ist als Einblick in die Situation an der Front besonders
71Die Details zu diesem persönlichen Schicksal verdanke ich Herrn Prof. Karlheinz König; Herr Prof.
MaxLiedtke hält den Sachverhalt der Selbsttötung jedoch für nicht endgültig gesichert.
72Bei diesemhandelt es sich umdenAutor des bereitsmehrfach zitierten historischen Standardwerks:
OttoBarthel, Die Schulen inNürnberg 1905 1960,Nürnberg, 1963.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427