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104 KAPITEL2. KINDHEIT
keinerlei Rücklagen übrigbehalten können, sodaß für sie die neueWährung erst einmal
keine besonderen Nachteile mit sich brachte. Für meinen mütterlichen Großvater und
meineväterlicheGroßmutterdürftediesandersgewesensein.VorallemmeineGroßmutter
kam imHinblick auf ihrenLebensstandard für diewenigen verbleibendenLebensjahre in
eine gewissewirtschaftlicheBedrängnis.
DieWährungsumstellunghattenatürlichaberauchFolgen fürvorhandeneBelastungen
wie Hypotheken. Auchmein Elternhaus war 1948mit Hypotheken belastet, deren Um-
stellung zu einem drei Jahre dauerndenRechtsstreit meiner Eltern gegen die Bayerische
Staatsschuldenverwaltung führte.100 Schuldner dieser Hypotheken waren meine Eltern,
Gläubiger warenmeine Schwester und ich.Wie ich imAbschnitt 2.3.2 bereits erläutert
habe, hattemein (mütterlicher) Großvater dies in dieser Form arrangiert, als er meinen
Eltern bei der Tilgung von Schulden und beimWiederaufbau imRahmen eines Vorver-
mächtnissesunterdieArmegriff,weil erdiesenAnteil alsErbe für seineEnkel verstanden
und gesichertwissenwollte.
DieBayerischeHypotheken-undWechsel-BankwolltedieUmstellung10:1durchführen,
währendmeinVater auf einerUmstellung 1:1 bestand.Als politischweitsichtigerBürger
war ihm offenbar bewußt, daß imHinblick auf das später dann 1952 in Kraft getretene
Lastenausgleichsgesetz eine höhereHypothek einenfinanziell günstigerenAusgangspunkt
fürAusgleichszahlungendarstellte.FamilieninternwarderKursdamals aktuell eigentlich
irrelevant.
DerRechtsstreit gingüberdrei Instanzen.Dabei ließ sichmeinVater vondembefreun-
detenstädtischenVerwaltungsbeamten,HerrnJohannesSchuffenhauer, juristischberaten,
dh. er verzichtete sogar wohl ausKostengründen auf einen professionellenAnwalt.
Das Amtsgericht legte die Umrechnung im Beschluß vom 19.10.1951 auf 10:1 fest, das
LandgerichtNürnberg-FürthinseinemBeschlußvom27.12.1951unddasBayerischeOber-
steLandgericht in seinemBeschlußvom19.2.1952gabendagegenmeinemVatermit einer
Umstellung 1:1 Recht. Die Verfahrenskostenmußte der Bayerische Staat tragen. Soweit
die Fakten.
Wer die Jahre desWiederaufbaus nach demKrieg miterlebt und schon einmal selbst
einenRechtsstreit durchgefochtenhat,wird sofort verstehen,welchungeheure zusätzliche
Belastung ein derartiger Rechtsstreit, noch dazu quasi gegen die Staatsmacht darstellte,
der sichzudemrelativkurznachdembereits extrembelastendenSpruchkammerverfahren
entwickelte.AusheutigerSichthabe ichdenhöchstenRespektvormeinenEltern,diediese
100DieAkten zu diesemRechtsstreit liegen inmeinem privatenArchiv unter Aktenordner 8b: Prozeß
HypothekenumstellungRM→DM.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427