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3.1. ENDEDERGYMNASIALZEIT 155
StudienprofessorKonradMeßlingerdieVertretungübernahm.Er führteeinenfürunsneu-
enmathematischen Sachverhalt ein undmachte ihn dabei so klar, daß jedenfalls ich alles
sofort verstanden hatte. Leider dauerte die Krankheit vonHerrnHupfer nicht allzu lan-
ge.DerKontrast zwischen diesen beidenLehrern demonstriertemir die großeBedeutung
pädagogischer Fähigkeiten für denErfolg beimSchüler auf eindrucksvolleWeise.
Mutmaßlich ab der sechsten Klasse wurde unser Lehrer für Mathematik und Physik
der Studienrat Kurt Rießner. Mit ihm kam ich einigermaßen zurecht, auch wenn sich
meinRespekt fürdessenPersönlichkeit undFähigkeiten inGrenzenhält.EinMenschmit
einer verklemmten, emotionslosenPsyche, der bei einemWiedersehen anläßlich des 125-
jährigenJubiläumsunserer Schule imJahre 1989nichtwirklichbegreifenkonnte, daßaus
mir ein mathematisch-informatischer Professor an einer Technischen Universität gewor-
den war und er seinerzeit keinerlei Anzeichen dafür vorausgesehen hatte. Das Erkennen
derFähigkeitenunddesPotenzials eines Schülers erfordert haltmehr als ein erfolgreiches
Lehramtsstudium.Aber er hat sichwenigstens redlich umuns und um eine faire Bewer-
tung bemüht undmich von dem dann ergriffenen Studium der Physik zumindest nicht
abgeschreckt.
Deneindeutig farbigstenUnterrichtüberhaupthattenwir inChemie inder siebten(und
wahrscheinlichauchschonsechsten)Klassegenießendürfen.BeidemLehrer,HerrnOber-
studienratDr.KarlKuhn, handelte es sichumeinenwohl angesehenenundkompetenten
Chemikermutmaßlich aus der Industrie oder Forschung. Zudemwar er stellvertretender
Schulleiter. Sein Haar war weißlich ergraut und er trug wohl immer ein und dasselbe
karierte helle Sakko zusammenmit einer Fliege. Er ging voll und ganz in seinem Fach
auf und dozierte den Unterricht wie eine Vorlesung an der Universität. Vor allem igno-
rierte er absolut das Verhalten der Schüler; wir konnten buchstäblich machen, was wir
wollten. ZumBeispiel während desUnterrichts photographieren: eine während einer sol-
chenChemiestunde vonmir aufgenommene Bilderstrecke2 zeigtmeineKameraden beim
Kartenspiel,Essen, Schlafen,Bilderanschauen,LesenoderUnterhalten.Dabei lümmelten
wir an den Fensterbänken, auf den Tischen, auf demFußboden oder bisweilen auch auf
dendafür vorgesehenenPlätzen.Währendder für dieBenotung relevantenSchularbeiten
hattemandas offeneBuch auf demSchoß und löste dieAufgabendamit und gemeinsam
mit demNachbarn. Für uns verband sich dieErinnerung an seinenUnterricht für immer
mitdemschulischenSzenario,dasderFilm DieFeuerzangenbowle 3mitHeinzRühmann
in derHauptrolle so einmalig beschrieben hat.
2FAWB3, S.19ff.
3https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Feuerzangenbowle_(1944), Zugriff 14.10.2015.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427