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3.3. FAMILIE 203
beinhalteten.Ergänzend suchtemeineMutter, ihre gesundheitlichenProblememit einem
Kuraufenthalt im Glottertal in den Griff zu bekommen. 1961 verschlimmerte sich ihre
gesundheitlicheVerfassung, vor allem inpsychologischerHinsicht.Wie schon ihreMutter
begann sie unter einer schweren Depression zu leiden, für die sie wohl genetisch bereits
disponiert war. Im Juni 1961wurde sie für einige Zeit imKrankenhaus neurologisch be-
handelt, wo ich, damals in Heidelberg studierend, sie auch besucht habe. Im Anschluß
daran kam sie in psychologische Behandlung.Mit ihremTherapeuten führte ich ein be-
sorgtes Gespräch, das aber im Hinblick auf ein konkretes Ergebnis sehr unbefriedigend
verlief. Aus heutiger Sicht glaube ich nicht, daß sie sich in guten Händen befand, nicht
zuletzt auch weil Anfang der sechziger Jahre die Einsichten in psychologische und hor-
monelle Prozesse sich noch sehr im Anfangsstadium befanden, die behandelnden Ärzte
dahermangels einschlägigerKenntnissekeinewirksameTherapieeinzusetzenvermochten.
ImOktober 1961 weilte sie zu einer weiteren Kur in BadWörishofen.78UmWeihnach-
ten 1961war sie erneut imKrankenhaus. Von ihrerTochter erfuhr sie etwaAnfang 1962
zudem, daß diese schwanger war, sie also bald ein Enkelkind erwarten konnte. Geholfen
hatdies alles nichts.AuchhabendiebehandelndenÄrztevorder in solchenFällen immer
gegebenen Suizidgefahr die relativ ahnungslosenAngehörigen nicht nachdrücklich genug
gewarnt, sodaß entsprechendeVorsorgemaßnahmenhätten getroffenwerden können.Un-
ter den gegebenen Umständen war sie sich vielmehr zu oft allein überlassen. So öffnete
sie eines AbendsAnfang Februar 1962 in ihrer Küche denGashahn. Sie wurde dort von
ihremMann bei dessen Heimkehr am späten Abend bewußtlos aufgefunden und sofort
ins Krankenhaus eingeliefert. Die Schädigungen ihres Gehirns waren durch die erlittene
CO-Vergiftung jedoch bereits so schwerwiegend, daß sie wenigeTage später am 8.2.1962
imKrankenhaus starb.
Die Trauerfeier wurde von Pfarrer Geyer in derMögeldorfer Kirche gestaltet, die we-
gen der großen Anteilnahme der Bevölkerung völlig überfüllt war. Danach fand meine
Mutter am idyllisch gelegenen Friedhof hinter dieser Kirche imGrabM 004 ihre letzte
Ruhestätte.79
Damitbin ichderSchilderungmeines eigenenLebens schonumvier Jahrevorausgeeilt,
in denen meine Mutter natürlich noch immer eine wichtige Rolle für mich spielte, auf
diewir imübernächstenAbschnitt als Teilmeinesweiteren Lebens zu sprechen kommen
werden.WegenderbesondersherausragendenKarrieremeinesVaters inden fünfzigerund
78Ist es ein bloßer Zufall, daß der SuizidmeinerMutter genauso einigeMonate nach einerKur inBad
Wörishofen erfolgtewie dermeinerGroßmutter, wie ausAbschnitt 1.2.2 zu ersehen ist?
79Der dieKirche umgebendeFriedhof besteht schon seit 1415.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427