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3.4. DIEVÄTERLICHEKARRIERE 213
Namen.MeinVater war sprachlos.Wie konnte sich einMann, der täglich unübersehbar
vielenMenschenbegegnete,GesichtundNameneinesMenschenmerken,denervorgerau-
mer Zeit bei einer Begegnung unter vielen anderen kennengelernt hatte?! Von da anwar
Vogel fürmeinenVater eine verehrungswürdigePersönlichkeit. Auch hier gilt das soeben
Festgestellte in einer weiteren Variation, nämlich daß das Gedächtnis von unterschiedli-
chenMenschen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Vogel scheint über ein phänomenales
Gesichts-undNamensgedächtnisverfügtunddieses imtäglichenGeschäftweiter trainiert
zuhaben. Sokonnte er zu einerUnzahl vonMenschenvermeintlichpersönlicheBeziehun-
genherstellen,was seiner politischenKarriere entsprechend förderlichwar. ImGegensatz
dazu klagte mein Vater oft darüber, daß ihm der Name einer ihm begegnenden, vom
Gesicht her bekannten Person einfach nicht einfallen wollte. Auch diese spezifische Ei-
genschaft seines Gehirns hat er mir weiter vererbt, auf die ich schon im Abschnitt 3.1
zu sprechen kam. Diese beiden Fähigkeiten zur freien Rede und zur Namenserinnerung
erweisen sich beide für das reflexhafte Beurteilen von Personen als besonders günstig,
ohne daß sie für sich allein irgendetwas Substanzielles zurGesamtbefähigung vonPerso-
nen beitragenwürden, zu der viele andere Fähigkeiten, vor allemdiejenige zurReflexion
erforderlich sind.
Als kleineRandbemerkung zuVogel erwähne ich, daß etwaeinJahrzehnt später dessen
hochintelligenter SohnBernd aus seiner ersten Ehe imRahmen dessen Studiums an der
TechnischenUniversitätMünchen vonmir betreut wurde, der dann aber infolge der ihn
sehr belastenden Scheidung seiner Eltern nach Irland quasi flüchtete und nach seinem
Mathematik-Diplomdann bezeichnenderweise nochPsychologie studierte.
Friedrich Flickwar schon vor undwährend desKrieges einer der wirtschaftlich erfolg-
reichstendeutschenUnternehmer.AuchnachdemKrieg gelang ihmtrotz aller aus seiner
Verstricktheitmit demNazi-Regime entstandenenWidrigkeiten derAufstieg zum reichs-
ten Deutschen. Flick saß wie Hans Bibel imAufsichtsrat der oben genanntenMonopol-
Bergwerks-Gesellschaft.Nach einigenSitzungendiesesGremiumsbegann sichmeinVater
über dessen Verhalten immer mehr zu verwundern. Denn dieser versäumte regelmäßig
die Sitzungen am Vormittag und mischte sich erst zumMittagessen unter die Gremi-
umsteilnehmer. Nach Beendigung des gemeinsamen Mittagessens verschwand er sofort
wieder, versäumte also gänzlich die Diskussionen imGremium. Dieses Verhalten konnte
nurdahingehend interpretiertwerden,daßFlick sichdadurchnebenbeidieKosten fürdas
Mittagessen jeweils sparte und dies mit einer kurzen sozialen Kontaktnahme zu seinen
Aufsichtsratskollegen verband. Es ist auch von anderen Superreichen bekannt, daß sie
selbst im Kleinsten notorisch, ja manchmal fast krankhaft zur Sparsamkeit neigen und
jede auch noch so kleineAusgabewennmöglich zu vermeiden suchen.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427