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3.5. STUDIUM 251
dendieAufgabe, einen in allenDetails vollständigenBeweismit allen dabei verwendeten
Theoremen und Lemmata zu erbringen. Sie erwies sich in diesemFall als eine durchaus
höchst anspruchsvolle Aufgabe. Allein der resultierende Kernbeweis umfaßte schließlich
18 Seiten. Darin wurde eine Reihe von Resultaten verwendet, die in der Arbeit vorweg
ebenfalls genaubewiesenwerdenmußten, sodaßdie gesamteBeweislängenochwesentlich
größerwar. Insgesamt umfaßte die resultierendeDiplomarbeit207 für einemathematische
Diplomarbeit durchaus stattliche 59 Seiten, ausschließlich umdas grundlegendeResultat
lückenlos darzustellenundzubeweisen,wobei für denBeweis einerReihevonallgemeine-
renundgesichertenTheoremenundLemmataaufdieLiteraturverwiesenwerdenkonnte.
Ich hatte hierbei zum erstenMal gelernt, eine zig Seiten lange Beweiskette imKopf zu
erarbeiten, eineAufgabe, diemeinenFähigkeiten offenbar durchaus gelegenwar.
FürdiedazuerforderlichenumfangreichenLiteraturrecherchennutzte ichvorallemden
schön gelegenenund immer ruhigenLesesaal desDeutschenMuseums, in dem ichunzäh-
lige Stunden undTagemit erfüllender geistiger Arbeit verbrachte.Wenn es an einer der
vielenKlippen in derArbeit nicht vorangehenwollte, hatteHerrForster immer eine Idee
zu deren Überwindung. Ich bewunderte ihn nicht nur wegen seiner großen mathemati-
schen Fähigkeiten sondern auch um seiner asketischen Natur willen, die ihn zu großen
Reisenmit demFahrrad beispielsweise über dieAlpenweit in den Süden befähigte.
Nach dem erfolgreichen Abschluß der Diplomarbeit, die leider nicht einmal wie heute
üblich eineDanksagung enthält, bereitete ichmichwieder sorgfältig auf die dreiDiplom-
prüfungen vor: ReineMathematik (Stein), AngewandteMathematik (Heinz) undQuan-
tenmechanik beiArnulf Schlüter (1922 2011).208WarummeinPrüfer inPhysik nicht der
oben genannte Bopp sondern Schlüter geworden ist, bei dem ich überhaupt keineVorle-
sungen belegt hatte, erschließt sich aus einer Sentenz inmeinen Aufzeichnungen209 und
beruht schlicht auf einer Sympathiepräferenz.DasGesamtergebniswar auchdiesmalwie-
der gut (und wurde diesmal sogar ohne eine Beruhigungstablette erreicht).Wie es in
meiner beruflichenEntwicklung danachweiterging, wird der nächsteTeilabschnitt darle-
gen.Meine Zeit inMünchen bis dahin bestand jedoch keineswegs nur aus demStudium,
sodaß es vorher daraus nochEiniges zu berichten gibt.
Aufgrund des geigerischen Anstoßes, den ich inMannheim vonHerrnMendius erfah-
ren hatte, suchte ich inMünchen sofort auch wieder einenmusikalischenAnschluß. Das
207Der Abbildungssatz von Reinhold Remmert, Diplomarbeit, Ludwig-Maximilians-Universität Mün-
chen, 59 Seiten, 1963.Nr. 0E134 inmeiner Schriftensammlung.
208https://de.wikipedia.org/wiki/Arnulf_Schlüter, Zugriff 22.3.2016.
209 ...Diese Lippen, dieserMund vonHaag oder Bopp, überhaupt diese fast rudimentäre Art zu spre-
chen.Da ist keinLeben, da ist keinFleisch, da ist keinBlut, hölzern, knöchern, vertrocknet. Ichmag das
nicht. TBII, S.23.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427