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3.5. STUDIUM 267
undbetrieb eine Sprechschulung nach einembis heute verwendeten Standardwerk.254All
dieseAktivitäten habenmeist auch schriftlicheNiederschläge hinterlassen.
ImRückblickerkenne ich indiesen frühenAufzeichnungenaberzusätzlichetwasmeines-
erachtenssehrBemerkenswertes.Dennes sinddarinbereitsgrobeRudimenteeinerkünfti-
genwissenschaftlichenDisziplin skizziert,mitder ichmich spätervoll identifiziertunddie
ich seit den achtziger Jahrenmit Intellektik bezeichnet habe. Beispielsweise spreche ich
darin von einer subjektivenWissenschaft, die auf der heutigenWissenschaft aufbaut ,
von einer [S]uche nach einer neuen Art zu denken und setze mich mit Begriffen der
Psychologie auseinander, um nur drei thematische Beispiele daraus anzuführen.255 Der
hier zitierteBegriff subjektiv soll dabei denUmfangdes Studienobjekts, also auchSub-
jektemitEmpfindungen,Moral,Denkfähigkeit etc. kennzeichnenundnicht dasmethodi-
scheVorgehen,dasvonden logisch-mathematisch-naturwissenschaftlichenWissenschaften
übernommenwird. Intellektikumfaßte fürmichdahervonAnfanganauchpsychologische,
soziologische, ja auch künstlerische Fragestellungen, deren Erforschung jedoch mit den
logisch-mathematisch-naturwissenschaftlichenMethoden angegangenwerden sollte.256
Ich entwickelte also über jene Jahre hin eine immer genauere Vorstellung vonmeinen
ganz persönlichen wissenschaftlichen Zielsetzungen. Zugleich mußte ich dadurch immer
deutlicher erkennen, daß es keine bestehendewissenschaftlicheDisziplin gab, in der diese
Zielsetzungen in einer mir vorschwebendenWeise verfolgt wurden. Da ich mir anderer-
seits derNotwendigkeit einer beruflichenExistenz innerhalb der bestehenden Strukturen
völlig bewußt war, blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich durch diese strukturel-
len Gegebenheiten so durchzuschlängeln, daß ich meinen eigentlichen Zielen ohne allzu
großeUmwege zumindest immer näher kam. In dieser Interpretation erweisen sichmeine
Studienwechsel vonPhysik nachMathematik nachPhysik nachLogik (und schließlich
nach Informatik) als von denGegebenheiten erzwungeneUmwege in der zielstrebigen
Verfolgungeines inhaltlich sehrgeradlinigenWegeshinzueinemfernerenZiel.Werunsere
gesellschaftlichen Strukturen kennt, weiß, daß es sich dabei um einen sehr steinigenWeg
handelnmußte, zu dessen Verfolgung wahrhaftMut gehörte, der gleichwohl immer und
in jederHinsicht großenLohn verspricht.257
254FritzReusch, JuliusHey,Der kleineHey:DieKunst des Sprechens. Schott,Mainz, 2003. AORefle-
xionen,R1.2, S.3-20.
255TBIII, S.42,48,56,51ff.
256 Die vernünftige, logischeÜberlegung hat sichmir im täglichenLeben ebensowie imStudium so sehr
als heilsam, förderlich, nützlich für unser aller Leben erwiesen, daß ich sie in allen Fällen, auf die sie
anwendbar sind, unbedingt respektiere. TBIII, S.16f, aufgezeichnet etwa Anfang 1965, also noch lange
bevor ich schließlich zur Logikwechselte. Vgl. auchTBI, S.3.
257TBIII, S.101, TBII, S.158f.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427