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302 KAPITEL4. FORSCHERLEBEN
zudenRechnernderUniversity ofMichigan inAnnArbor.Diesewar eineder drei ersten
Universitäten, die an das 1969 gestartete ARPANetz angeschlossen wurden und damit
das email-ZeitalterAnfang 1971 inGang setzten. So lernte ich schonbald dieBenutzung
meinerWorkstation zumVersendenvon emails kennenundgehöre damit zudenweltweit
allererstenNutzern dieses heute jedermann geläufigenKommunikationsmediums.
AuchwennangesichtsdesbeschriebenenAufgabenpensumsfastkeineZeit fürdieeigene
Forschung übrig blieb, konnte ich doch zwei sehr unterschiedliche Ergebnisse erarbeiten.
Daserstebesteht ineinerErweiterungeinervonScottundStracheyvorgeschlagenenSpra-
che zurFormalisierungder Semantik vonProgrammiersprachen.DieErweiterungbetrifft
die Hinzunahme von Sprüngen (Gotos), die von diesenAutoren nicht berücksichtigt wa-
ren.36DasErgebnis habe ich sowohlDanaScott als auchManfredPaulmitgeteilt.Deren
Reaktionen darauf habenmich aber nicht zurweiterenVerfolgung dieser Forschungsrich-
tung ermutigt. Allerdings habe ich imGefolge und zumweiterenAustauschDana Scott
zu einemKolloquiumsvortrag an unser Institut eingeladen. Dieser wurde mitten in sei-
nemVortrag durch einen recht deplatziertenEinwand eines Zuhörers so verärgert, daß er
erbost den Saal verließ und so auf den Rest seiner Rede zur Enttäuschung der Zuhörer
einfach verzichtete. Scott war eine Primadonna, die als solche behandelt werden wollte,
wasderZuhörer bei seinemEinwand leidermißachtete.EinderartigesVerhaltenhabe ich
bei akademischenVorträgen nur dieses eineMal erlebt.
Mein eigentliches wissenschaftliches Interesse galt aber, wie weiter oben schon kurz
ausgeführt, dem Gebiet des Automatischen Beweisens. Schon im Laufe meiner Arbeit
inMünchen hatte ichmir, ausgehend von demmir wohlvertrauten formalen System der
Prädikatenlogik von Schütte, das Vorgehen eines solchen Beweisers zurechtgelegt. An-
gesichts der hervorragenden Rechnerausstattung bot sich mir nun die Gelegenheit, auf
dieserGrundlage ein Beweisersystem zu programmieren. SeymourWolfson empfahlmir,
dazudie auf unseremSystemvorhandeneProgrammierspracheSNOBOL4zuverwenden.
Ende1970 lief dannmein erstesBeweiserprogrammfürdiePrädikatenlogik.37DasErgeb-
nis wollte ich zur zweiten IJCAI-1971 in London einreichen, wozu damals ebenfalls ein
Abstrakt genügte.Aufgrund sehr unglücklicherUmstände, verursacht nicht zuletzt durch
36WolfgangBibel,Mathematical Semantics for a LanguagewithGOTOS,Okt. 1970, unveröffentlicht.
Die Arbeit wurde am 17.12.1970 als Abstrakt bei einer Konferenz in Hawai eingereicht, dort aber von
dessenProgramChairM.A.Harrison nicht angenommen.
37Das Programmmit dem Namen PRV ist geschrieben in der Programmiersprache SNOBOL4 und
umfaßt 219 Programmzeilen. Es befindet sich heute im elektronischen Museum für Theorembeweiser
(http://theoremprover-museum.github.io/).
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427