Seite - 336 - in Reflexionen vor Reflexen - Memoiren eines Forschers
Bild der Seite - 336 -
Text der Seite - 336 -
336 KAPITEL4. FORSCHERLEBEN
len noch zeigenwerde, verdankten alle Informatik-Professoren des Instituts ihrePosition
HerrnBauer undwaren charakterlich so ausgesucht, daß sie über Jahrzehnte ihmgegen-
über nicht ein einzigesMal denWiderspruch wagten. Zudem gelang es ihm dank seines
Redetalents, seiner fast dämonischen Fähigkeit des Machtgewinns und infolge einer in
der Psychologie wohlbekannten Gruppendynamik80 immer auch, sie von der Richtigkeit
der von ihmvorgeschlagenenEntscheidung zuüberzeugen.Die zweiteLeitungsebene, von
der ich oben imAbschnitt 4.1 gesprochen habe und zu der ich selbst gehörte, hatte in
allenwichtigenPunkten über Jahre hin ausschließlich ihm zu berichten und von ihmdie
entsprechendenWeisungen entgegenzunehmenund zu befolgen.Die, umnoch ein drittes
Beispiel anzuführen,weitausmeisten derMitarbeiter in der Informatikwaren amBauer-
schenLehrstuhl angesiedelt.Während sobei ihmbis zu30Mitarbeiter inverschiedensten
Funktionen tätigwaren, verfügte seinKollege undFreund Samelson zumeiner Zeit über
genau einen einzigenMitarbeiter, nämlichmich, und zudemüber eine Sekretärin. Unter
einer gemeinschaftlichenVerantwortung ist in jedemFall etwas ganz anderes zu verste-
hen!
Mein eigenes Schicksal ist das vielleicht krasseste Beispiel fürmeine Einschätzung der
dunklen Seite vonBauer. ImAbschnitt 4.1 habe ichmeinen steilenAnsehensaufstieg im
Institut geschildert, der zumeiner fast unkündbaren Stellung und zur Integration in die
zweite Führungsebene führte. Ohne jeden Zweifel hatte ich das Herrn Bauer zu verdan-
ken, der mir in den Jahren 1971 1974 in besondererWeise wohlgesonnen war. Damals
konnte ich aus seinem eigenen Mund Äußerungen mitbekommen, die man wegen ihrer
Privatheit vorMitarbeitern sonst eher zurückhaltenwürde. Beispielsweise ließ er sich in
einer solch ungewöhnlich aufgeschlossenen Stimmung über seinen eigenenVater aus, den
er als so furchtbar charakterisierte, daß er ihn auch seinem ärgsten Feind nicht wün-
schenmöchte. Aufgrund dieser und ähnlicher Äußerungen besteht fürmich kein Zweifel
daran, daß Bauer noch zur damaligen Zeit und vermutlich sein ganzes Leben lang an
einer extrem problematischenVater-Sohn-Beziehung litt. Sie dürfte die Ursache für sein
durchauskrankhaftesMachtstrebengewesen sein, das gepaartwarmit einer fürsorglichen
Zuneigung zu ausgewähltenUntergebenen.
Es gabvon seiner Seitemir gegenüber eineReihe vonAnnäherungsversuchen, in denen
ermichwie ein Vater seinen Sohn umgarnte. Denn er selbst hatte damals keine eigenen
Kinder, worunter er ganz offensichtlich litt. So zog ermich 1971/1972 zurBetreuung der
Diplomarbeit des Diplomanden Erhard Weiss hinzu, sprach an seinem Schreibtisch in
derBarerstraße davon, daß ich irgendwann seinenPlatz einnehmenwürde, ließmir nach
80Siehehierzubeispielsweise:WolfgangBibel, LehrenvomLeben,DeutscherUniversitäts-Verlag, 2003,
S.134ff.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427