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344 KAPITEL4. FORSCHERLEBEN
mortuis nil nisi bene 92 keine einseitige Betrachtung sondern das ganze Bild dargestellt
werden. Ichhabedaher die andere Seite vonBauer ausführlicher beleuchtet,weil sie bis
heute unerwähnt geblieben ist und weil ich wie kein anderer unter ihr über viele Jahre
nahezu existenziell gelitten habe.
Auf den vorangegangenen Seiten habe ich die Verantwortung für das Fehlurteil über
meinen Habilitationsantrag weitestgehend Herrn Bauer zugemessen. Mein Betreuer war
aber dochHerr Samelson.Wie steht esmit seinemAnteil daran?
Herr Samelson (1918 1980) war schon in den Jahren seines Studiums an der LMU
München Kommilitone von Herrn Bauer. Beide schlossen ihr Studium 1950 ab, gingen
danach für kurze Zeit in den Schuldienst, promovierten anschließend in kürzester Zeit
bei Prof. Fritz Bopp und nahmen danach eine Stelle bei Robert Sauer an der TUM
an. Diese gemeinsamen Jahre begründeten eine enge Freundschaft zwischen den beiden.
In demGespann war Samelson der gründliche Denker und Bauer der unternehmerische
Promotor, Samelsonder sensible, umgänglicheund sachorientiertePartnerundBauerdie
raffinierte, trickreiche und erfolgsorientierte Triebkraft. Entsprechend war Bauer immer
deräußerlichErfolgreiche,derzuseinemErfolgaberaufdiewissenschaftlichenFähigkeiten
seines Freundes unabdingbar angewiesen war. So erzielten sie Ende der fünfziger Jahre
international anerkanntewissenschaftliche Erfolge in der Entwicklung undKompilierung
derProgrammierspracheALGOL.Die inhaltlichenBeiträge stammtendabeimutmaßlich
überwiegend von Samelson, derBauer als quirligeKraft aber gleichwohl nicht entbehren
konnte.93
Entsprechendden reflexhaftenMechanismenbeiBerufungen erhielt derwendigeBauer
vor dem wissenschaftlich produktiveren Samelson 1959 eine Professur in Mainz. Bauer
wußteaberumdenunentbehrlichenWert seinesFreundes fürdie eigeneKarriere.Deshalb
gelang es ihm, inMainz auch fürdiesen eine außerordentlicheProfessur auszuhandeln. So
bildeten sie dortwieder einTeam.DasgleicheSpielwiederholte sich, alsBauer 1963nach
Münchenzurückberufenwurdeunddortwiederumzuerreichenwußte,daßauchSamelson
kurze Zeit später nun als ordentlicher Professor zurückkehren konnte. Samelsonwar sich
also immer sehr wohl dessen bewußt, daß er ohne seinen Freund Fritz wohl Studienrat
gebliebenwäreundwar ihmdaherbedingungslos ergeben.UmgekehrtwußteBauer seinen
FreundKlaus zeitlebens für seinMachtstreben nachBelieben zu instrumentalisieren.
92ÜberTote nurGutes.
93Die wichtigste Publikation der beiden aus jener Zeit listet Samelsons Namen entgegen der sonst
üblichenalphabetischenReihenfolge entsprechenddieserEinschätzungals ersten (worauf ichweiter oben
schon hingewiesen hatte): Klaus Samelson, Friedrich L. Bauer, Sequential Formula Translation. CACM
3(2), 76 83, 1960.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427