Seite - 350 - in Reflexionen vor Reflexen - Memoiren eines Forschers
Bild der Seite - 350 -
Text der Seite - 350 -
350 KAPITEL4. FORSCHERLEBEN
nationaler Ebene spielte er wie Bauer eine führende Rolle (beispielsweise als erster Prä-
sident der Gesellschaft für Informatik). Trotz dieser und weiterer Ähnlichkeiten in den
Rollen dieser beidenGründungspersönlichkeiten der deutschen Informatik könnten deren
charakterlicheUnterschiede größer nicht sein.Hotzhatte immer ein eher zurückhaltendes
Auftreten, auch wenn er seine vorher gründlich überlegten Vorstellungen mit Überzeu-
gung, nachdrücklich, konsequent und auch geschickt vertrat. Der autokratische Bauer
versuchte seinGegenüber zudominieren,Hotz ihnzuüberzeugen.Bauerversammelteum
sich die ihm ergebenen Bäuerlinge ungeachtet deren wissenschaftlicher Eignung, Hotz
suchtemit feinemGespür überall nachden fähigstenKöpfenundwarb sie in das ja recht
abgelegeneSaarbrückenab.101Dadurch legte er imwirtschaftlichdarbendenSaarlandden
Grundstock füreinauchheutenochflorierendesZentrumwissenschaftlicherExzellenzund
einen daraus resultierendenwirtschaftlichenAufschwung.102
Für ein halbes Jahr war ich 1975 also von der TUMbeurlaubt und vertretungsweise
Professor inSaarbrücken,hieltdorteineVorlesungüberFormaleSprachen, leitetegemein-
sammitHerrnHotzzweiSeminareundtrug imdortigenKolloquiumübermeineArbeiten
vor.Mein Spezialgebiet war ja eigentlich dieKünstliche Intelligenz, für das damals auch
HerrHotz leider noch nichts übrig hatte, sodaß ich den dortigen Studenten keine Inhalte
meiner eigenen Forschung vermitteln konnte. Ich wohnte in Saarbrücken im sehr ange-
nehmenGästehaus derUniversität, fuhr ausMünchen amBeginnderWochedorthinmit
demZug und nach etwa drei arbeitsreichenTagen dort nachHause zurück, wo die Vor-
bereitungen für die nächsteWoche erfolgten. DieseWochen undMonate waren fachlich
höchst anregend, menschlich äußerst angenehm und sind mir in bester Erinnerung ge-
blieben.Als angenehmenNebeneffekt konnte ichmichüber daswesentlich höhereGehalt
eines Professors imVergleichmitmeinem sonstigenOberassistentengehalt erfreuen.
WährenddieserZeit erarbeitete ich einVorlesungsskriptumüberdasThemaderVorle-
sung,103 das ich demSpringer Verlag zurVeröffentlichung als ein daraus hervorgehendes
Buch vorlegte. Er aber wollte es mit der Begründung nicht publizieren, daß ich für das
GebietdurcheigenespezifischewissenschaftlicheArbeitennichtausgewiesenwäre.DieBe-
gründungwarsachlichzwarrichtig,alsAblehnungsgrundabernichtwirklichüberzeugend.
101VonderTUMwaren dies dieHerrenHaraldGanzinger,Hans Langmaack,Helge Scheidig, Reinhard
Wilhelm und über den Umweg nach USA auch Kurt Mehlhorn, allesamt exzellente und erfolgreiche
Wissenschaftler.
102Diedort ansässigen InstitutionenMax-Planck-Institut für Informatik,DeutschesForschungszentrum
fürKünstliche Intelligenz (DFKI), Leibniz-Zentrum für Informatik SchloßDagstuhl sowie beispielsweise
die aus der Universität hervorgegangene, weltweit operierende Scheer Group legen dafür ein eindrucks-
volles Zeugnis ab.
103WolfgangBibel,FormaleSprachen,FachbereichAngewandteMathematikundInformatik,Universität
des Saarlandes, A 75/10, 89 Seiten, 1975.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427