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4.3. BESSERSPÄTALSNIE 387
men, noch dazu als Nachfolger des vonmir hochgeehrten Ray Reiter, elektrisierte mich
daher über alle Maßen, was ich Ray in demGespräch auch entsprechend zu verstehen
gab.Er leitetediese Informationauch sofort andenDepartmentChair anderUBC,Prof.
JimVarahweiter, dermich in einemSchreiben vom2.9.1986 sofort kontaktierte.
Die anschließenden, damals schon überwiegend per email geführtenVerhandlungen,205
unterschieden sich so grundlegend und wohltuend von denen in Deutschland, daß über
meine Entscheidungspräferenz bald kein Zweifel mehr aufkommen konnte. Die Kollegen
dort orientierten sich ausschließlich an den schriftlichenGutachten, die übermeine wis-
senschaftlicheundpersönlicheQualifikationvon international führendenWissenschaftlern
eingeholtwurden,währenddie inDeutschlandübermich kolportiertenGerüchte schlicht
und einfach ignoriert wurden.DieUBCwar sich darüber sehr bewußt, daß dieBerufung
des Präsidenten der IJCAI, der ich damals war, dem Ansehen der Universität nur för-
derlich sein konnte.Man scheute daher keineMühe,mir ein höchst attraktives Angebot
unterbreiten zu können.206
Meine beidenKinderwaren 1987 inzwischen soweit erwachsen, daß sie ihrenVater für
einigeZeit entbehrenkonnten.EineTrennungvonmeinerFrauentsprachunseremargzer-
rüttetenVerhältnis, vondembereits dieRedewar.Natürlichwürde ich viele der inMün-
chen imLaufe von 25 Jahren gewachsenenVerwurzelungen schmerzlich vermissen. Aber
die dort inmeiner Stellung als Oberassistent erlittenen jahrelangenDemütigungenwür-
denendlichaufhören.Schließlich reagierteder imBaden-WürttembergischenMinisterium
zuständigeBeamte überhaupt nicht auf dieTatsache desweit attraktiverenKonkurrenz-
angebotes aus Kanadamit einem entsprechend verbesserten Angebot für Ulm.207Kurz,
ich entschloßmich, diemirmitSchreibenvom12.2.1987undvom3.3.1987unterbreiteten
Angebote mit Schreiben vom 27.4.1987 anzunehmen und (zunächst ohne Familie) nach
Kanada auszuwandern. Das Angebot war deswegen so attraktiv, weil es zusätzlich zur
Professur an der Universität den herausragenden Status als Fellow of the Canadian In-
stitute for Advance Research (CIFAR) beinhaltete.208Diese Kombination bedeutete für
mich eineminimale Lehrverpflichtung, von der jederWissenschaftler nur träumen kann,
verbunden mit einem hohen Gehalt und dies an einem bestens ausgestatteten und da-
205WenigeZeitgenossenwissen, daß elektronischeKorrespondenz auch inDeutschland an ausgewählten
Instituten, wie beispielsweise inmeiner fortschrittlichenArbeitsgruppe, schonMitte der achtziger Jahre
üblichwar.
206Beispielsweisehattemanmich fürdieTagederVerhandlungen imdamalsbestenundarchitektonisch
beeindruckendenHotel inVancouver, demPanPacific, einquartiert und selbstverständlichalleKosten für
diese Flugreise übernommen.
207Wie so viele vor undnach ihmwurde ich von ihmmutmaßlich unterschätzt, weil ermir einen derart
mutigen Schritt wohl einfach nicht zutraute.
208https://www.cifar.ca/, Zugriff 29.3.2017.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427