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30 Naturraum Alpen
der Quelle des Rheins entfernt am östlichen Ende des Wallis entspringt und ins
Mittelmeer fließt.
Naturkatastrophen
Das, was die Naturwissenschaft so nüchtern als „formende Elemente der Alpen“
bezeichnet, wurde und wird von den Menschen in der Regel als katastrophal
wahrgenommen. Denn die am stärksten „das Relief verändernden Faktoren“ sind
Bergstürze, also Ereignisse, die ganze Talschaften zerstören und Hunderte bis Tau-
sende von Menschenleben kosten können.
Massenbewegungen im Gebirge sind von geologischen und hydrologischen Ge-
gebenheiten abhängig. Die größte Dimension erlangten Bergstürze, als im Zuge
der Gletscherschmelze nach der letzten Eiszeit die durch die Gletscher steil ausge-
schliffenen Talflanken kollabierten. Festes, kristallines Gestein ist nicht sehr anfällig
für Bergstürze, andere Gesteinsarten hingegen schon. In bestimmten Gegenden der
Alpen ereignen sich daher Hang- und Felsrutschungen besonders oft, in Österreich
beispielsweise in der Goldberg- und Ankogelgruppe.27 Das am stärksten bedrohte
Gebiet der Alpen liegt in der Schweiz zwischen dem Genfer See, dem Wallis und
dem Rheintal. Hier fand vor etwa 9.000 Jahren bei Flims der größte bekannte Berg-
sturz der Alpen statt. Die Ausdehnung dieses Bergsturzes erstreckt sich über eine
Fläche von 50 km2, der Rhein hat sich in dem Trümmerfeld seither eine über 600 m
tiefe Schlucht gegraben.
Eine für den Menschen besonders unangenehme Folge der Hangrutschung ist,
wenn sich durch die Ansammlung des Gerölls im Tal eine Blockade bildet, die
den dahinter liegenden Wasserlauf aufstaut. Durch den zunehmenden Druck der
Wassermassen kann dieses Hindernis plötzlich aufbrechen und die daraus folgende
Flutwelle zu einer Katastrophe führen.28 In historischer Zeit sind mehrere solcher
Ereignisse bekannt. In den Westalpen bei Oisans stauten im hohen Mittelalter
Muren einen schon vorhandenen See noch mehr auf. Im Jahr 1219 brach diese
natürliche Staumauer plötzlich und die Wucht der Wassermassen zerstörte die Tal-
schaften unterhalb des Sees. Dies hatte laut Berichten tausende Tote zur Folge.29
Ganz ähnlich verhielt es sich 1512 in Biasca am Fuße des Lukmanierpasses, als
ein Bergsturz den Brenno aufstaute und der Bruch des Dammes zwei Jahre später
27 Hofmann/Schönlaub, Geo-Atlas Österreich 95.
28 Veit, Alpen 119 ff.
29 Allix, L’Oisans 28 ff.; Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 280 (Falque-Vert).
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361