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Routen durch die Alpen 129
Klosters St. Gallen nach Rom. Bonifatius bemängelte 742, dass ungebildete aleman-
nische, bairische und fränkische Wallfahrer und -fahrerinnen um den Jahreswechsel
in Rom weilten und dort heidnische Bräuche erlebten. Diese Erlebnisse würden der
Mission in ihren Heimatländern nicht entgegenkommen.69 Auch einfache Leute
machten sich auf den Weg, und viele wohl nicht nur aus religiösen Motiven. Das
alles ergibt schon im 8. Jh. ein nicht unerhebliches Pilgeraufkommen auf den Al-
penpässen.
Routen durch die Alpen
In der Divisio Regnorum von 806 teilte Karl der Große sein Reich unter seinen
drei Söhnen auf. Diese Teilung trat so nie in Kraft, ist aber aufschlussreich. Denn
der Kaiser erwähnte dabei nicht nur ausdrücklich die Alpen, sondern teilte jedem
seiner Söhne ein Passsystem zu, das ihm den Zugang nach Italien sicherte : „[…]
Karolus per vallem Augustanam, quea ad regnum eius pertinet, et Hluduwicus per
vallem Segusianam, Pippinus vero et exitum et ingressum per Alpes Noricas atque
Curiam“70 (siehe dazu auch Abbildung 8 auf S. 85).
Die im kaiserlichen Dokument genannten Wege der Westalpen werden nicht
durch die Pässe, sondern durch das Tal definiert : Hier lagen die Clusen, die großen
Festungen, die einst die Reichsgrenze markiert hatten. Von den jeweiligen Tälern
aus gibt es je mindestens zwei Varianten, um das Gebirge zu überschreiten. Weiter
im Osten werden die zahlreichen Übergänge der zentralen Alpen mit der Dreh-
scheibe des churrätischen Verkehrs zusammengefasst : Chur – fast alle Wege durch
die churrätischen Alpen führten durch diese Stadt. Im Gegensatz dazu steht der
extrem streuende Ausdruck „Norische Alpen“. Aber auch dies entspricht der Rea-
lität : Hier sind so viele verschiedene Varianten möglich, dass diese kaum anders als
mit den damaligen Namen des Gebirges genannt werden können.
In diesem Dokument werden die Übergänge östlich der sogenannten „Nori-
schen Alpen“ – also etwa der Raum des heutigen Tirols und vielleicht das westli-
che Salzburg – gar nicht erwähnt. Dies entspricht im Wesentlichen auch der anti-
ken Wahrnehmung71, die ebenfalls die Übergänge der Ostalpen kaum benennen.
Die Tabula Peutingeriana (siehe Abbildung E auf S. 357 am Ende des Buches)
69 Bonifatius Brief 59 MGH Epp. 3, S. 301.
70 MGH Capit. 1, S. 127.
71 Laut Polybios gab es zur Querung der Alpen vier Hauptrouten : den Küstenweg bei Nizza, dann
die Gegenden der Tauriner (Mont Genèvre), der Salasser (Gr. und Kl. St. Bernhard) und der Räter
(Bündner Pässe, Reschen und Brenner).
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361