Seite - 300 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Bild der Seite - 300 -
Text der Seite - 300 -
300 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
das 8. und 9. Jh. in spätrömischen Traditionen verwurzelt. Dies schlägt sich unter
anderem in Urkundentraditionen nieder, die in die Spätantike verweisen.4 Auch
innerhalb des Gebirges weist der Raum lokal schon im 8. Jh. starke soziale Hierar-
chien und grundherrschaftliche Strukturen auf. 5
Eine andere Geschichte nahm der Ostalpenraum : Hier bedingte die slawisch-
awarische Herrschaft über die Ostalpen einen großteils radikalen Bruch mit der
spätantiken Kultur. Eine neue, tribale Herrschaft bildete sich heraus und jede spät-
antike Ordnung dürfte verschwunden sein.
In diesem Kapitel soll nun an einzelnen Beispielen gezeigt werden, wie diese
Übergänge funktionieren konnten und welche Probleme sich bei der Untersu-
chung dieser Strukturen ergeben.
Die Westalpen : Burgund und Provence
Anfang des 5. Jh. überschritten die Burgunder den Rhein und residierten in Worms.
Sie bekamen vom römischen Feldherren Aetius 443 als Föderaten ein Gebiet, das
in etwa dem heutigen Westschweizer Raum entsprochen haben dürfte, die Sa-
paudia, zugewiesen. Von dieser römischen Region kennt man heute weder den
genauen Ort noch die exakte Ausdehnung. Meist wird sie nördlich von Genf und
rund um den Genfer See lokalisiert.6 In den Alpentälern wurden nur im Rhônetal
ab Octodurum/Martigny und in einigen Seitentälern der Rhône Funde gemacht,
die Burgundern zuzuordnen sind. Allerdings ist die archäologische Zuweisung
„burgundisch“ fast nicht möglich, denn die Artefakte sind eher allgemein „bar-
barisch“ und können daher nicht genauer kategorisiert werden.7 Südlich davon
dürfte die starke Romanisierung ausschlaggebend für eine schnelle Integration
der dort siedelnden Burgunder gewesen sein.8 Schätzungen gehen von 10.000 bis
50.000 Menschen aus, die in dieses Gebiet zogen. Es handelte sich um eine sehr
gemischte Gruppe, die auch Goten, Vandalen, Alanen, Alemannen und Hunnen,
vielleicht Sarmaten umfasste. Zweck dieser militärischen Ansiedlung war die Ver-
teidigung des Römischen Reiches und die Sicherung der Alpenübergänge.9
4 Etwa im sogenannten „Rottachgau Fragment“. Erhart/Kleindinst, Urkundenlandschaft Rätien 36 f.
5 Wickham, Framing 339 FN 86.
6 Kaiser, Burgunder 33 ; Wood, Assimilation von Romanen und Burgundern 216 f.
7 Kaiser, Burgunder 88.
8 Gaillard de Sémainville, Zur Ansiedlung der Burgunden 241, 246. Allerdings liegt der Schwerpunkt
der Archäologie in den südlichen Westalpen eher auf der Antike.
9 Kaiser, Burgunder 38 ff.; Polyethnischer Verband s. u., FN 12.
zurück zum
Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361