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Christentum 173
Im Verhältnis zu anderen Kulturerscheinungen ist das Christentum in den spät-
antiken und frühmittelalterlichen Alpen gut dokumentiert, weshalb dem hier auch
viel Raum gewidmet ist. Allerdings sind die Quellen für bestimmte Zeitabschnitte
nur ungleichmäßig verteilt. Für manche Regionen stehen außerdem weder Funde
noch schriftliche Nachrichten zur Verfügung. Hier gibt es außer Analogieschlüssen
kaum Möglichkeiten, Aussagen zu machen. Der Vergleich der einzelnen alpinen
Regionen untereinander macht es dennoch möglich, eine christliche Topografie
der Alpen zu erstellen.
Im Vordergrund sollen die Fragen stehen, warum bestimmte regionale Struktu-
ren entstanden und wie sich die christliche Landschaft der Alpen in diesen Jahr-
hunderten entwickelte und veränderte. Welche Mechanismen standen hinter dem
Untergang der einen und dem Aufstieg der anderen christlichen Zentren ?
Entwicklung des Christentums in den Alpen
Die Städte in den Räumen südlich und westlich der Alpen waren schon sehr früh
christianisiert. In Gallien konnte sich das Christentum von der Mittelmeerküste
kommend entlang des Rhônetals ausbreiten, in Lyon ist bereits für das Jahr 177
eine christliche Gemeinde bezeugt. Auch in der Poebene, Pannonien und am öst-
lichen Rand Noricums zeigten sich schon bald christliche Strukturen. In Aqui-
leia, Sirmium und Poetovio gab es beispielsweise spätestens in der Mitte des 3. Jh.
Christengemeinden und auch Bischöfe. 3
In die Täler des Gebirges selbst kam der christliche Glaube erstmals über die
Vermittlung von christlichen Reisenden, die die Alpen querten. Da der große
St. Bernhard die Hauptverbindung zwischen den frühchristlichen Zentren Mailand
und Lyon/Vienne war, ist es nicht erstaunlich, dass gerade hier die ersten alpinen
Christengemeinden entstanden. So ist aus dem Wallis für das Jahr 377 eine Inschrift
mit einem Christus-Monogramm bekannt4 und schon 381 dürfte es in Octodurum/
Martigny einen Bischof gegeben haben. Im wichtigen Verkehrsknotenpunkt Gratia-
nopolis, heute Grenoble und davor Cularo genannt, ist für dasselbe Jahr ein Bischof
bekannt.5 Auch an den anderen Pässen gab es sicherlich genügend durchziehende
Christen, die für die Verbreitung der Religion sorgten. Exemplarisch sei hier an
das Leben des heiligen Martin erinnert : Dieser große Heilige des Okzidents und
Stammheilige der Merowinger durchquerte im 4. Jh. mehrmals die Alpen und be-
3 Bratož, Christianisierung 304 ; Jourdain-Annequin, Atlas culturel 230 (G. Barruol) :
4 Zermatten, Walliser Geschichte 36.
5 Colardelle, Grenoble 11.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361