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Grenzen in den Alpen 87
Themse als Grenzlinie überliefert.141 Kleinere Gewässer waren, wie Studien in der
Schweiz zeigten, jedoch nur dann Grenzen zwischen Höfen oder auch politischen
Bezirken, wenn sie nicht überwindbar waren.142 Beim Streit der beiden Erzbistü-
mer Salzburg und Aquileia um die Rechte im ehemals norischen Gebiet wurde
die Drau als Grenze festgelegt, die „per mediam illam provinciam currit“.143 In
der Realität war diese Trennung allerdings für die Bevölkerung kaum von Belang
und die jeweilige Kirche konnte die Besitzungen auf der anderen Seite des Flusses
behalten. Diese Aufteilung einer ehemaligen antiken Provinz erfolgte unter be-
wusster Meidung des alten Raumnamens Noricum, um das störende Gefühl eines
Traditionsbruches gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Grenze selbst scheint
eine Verlängerung der Draugrenze im südöstlichen Teil Karantaniens bei Celje/
Celeia gewesen zu sein.144 Diese Grenzen waren also nicht im Sinne einer fixen,
unüberwindbaren Linie gedacht, sondern dienten als Orientierungs- und Markie-
rungspunkte in der Landschaft. Genau wie Gebirgsketten sind Gewässer jedoch
meist mehr ein einigendes als ein trennendes Element.
Grenzorganisation in den Alpen
Die Gebirgsgrenzen erfordern aufgrund ihrer topografischen Eigenheiten spezielle
Arten der Organisation. Gemeinsam sind allen Varianten der Verteidigung im Ge-
birge, dass die Menschen mit der Umgebung vertraut sein mussten und es nicht
ausreichte, ein Heer in die Alpen zu schicken. Mit Bergen vertraute Menschen
bewachten die Übergänge, eigens gebaute Festungen nutzten die Topografie aus
und sperrten so die Talausgänge der Alpen, Klöster und Gesetze organisierten den
Verkehr durch die Täler und an den Grenzen.
Bergwächter und militante Einheimische
Ende des 6. Jh. brachten die ständigen Scharmützel zwischen Franken und Lan-
gobarden oftmalige Verletzungen der Grenzzonen in den Westalpen, die einhei-
mische Bevölkerung dürfte daher ständig zum Kampf bereit gewesen sein.145 Um
572 kämpften sogar die Bischöfe von Embrun und Gap selbst im Heer des bur-
gundischen Befehlshabers Mummolus gegen die einfallenden Langobarden – eine
141 Schneider, Lineare Grenzen – Vom frühen bis zum späten Mittelalter 57.
142 Peyer, Gewässer, Grenzen und Märkte 8.
143 MGH DD Kar.1 Nr. 211, S. 282.
144 Wolfram, Grenzen und Räume 226 ; Kahl, Der Mythos vom Zollfeld 76.
145 Gregor von Tours Hist. X 3 ; Paulus Diaconus Hist. Lang. III 3.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361