Seite - 332 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Bild der Seite - 332 -
Text der Seite - 332 -
332 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
Das 8. Jahrhundert
Als im 8. Jh. der Raum des ehemaligen Binnennoricums unter dem neuen Na-
men „Karantanien“ auftaucht, ist von spätantiken Strukturen nicht mehr viel üb-
rig. Stattdessen finden sich im Karantanien der frühmittelalterlichen Quellen eine
Slawisch sprechende und heidnische Gesellschaft, in der es Adelige und Fürsten
gibt, sowie Bauern, die anscheinend über unbebautes Land frei verfügen können
(s. u.). Es könnte allerdings noch im 8. Jh. nicht unerhebliche Reste der Roma-
nitas Noricums gegeben haben. Diese wurden jedoch aus politischen Gründen
von der Salzburger Kirche in den Quellen nicht erwähnt, denn dies hätte nur die
Ansprüche des ursprünglich für Noricum verantwortlichen Patriarchats Aquileia
unterstützt.185
Die ersten sicher datierbaren Nennungen des Karantanennamens fallen in das
Ende des 8. Jh., geformt wurde er frühestens rund 100 Jahre vorher.186 Es dürfte
sich ursprünglich um einen Ortsnamen gehandelt haben, der auf die dort wohnen-
den Menschen ausgedehnt wurde, denn für spätere Jahre ist der mons Carentanus,
der Ulrichsberg, und die curtis Corontana, die Karnburg, bekannt.187 Man griff damit
zu einem Raumnamen, der direkt in den Kernraum des karantanischen Reiches im
Kärntner Zollfeld weist : die Gegend nordöstlich von Maria Saal, wo die Karnburg
und der Karnberg liegen. Namen, die mit dem vorrömischen Wort car gebildet
wurden, kommen im östlichen Alpenraum häufig vor, beispielsweise die Carni-
schen Alpen mit Iulium Carnicum oder die Carniola des 8. Jh., wie auch die Kara-
wanken. Dieses Grundwort bedeutete „Stein“ und ist wohl ebenso für die Bildung
des Karantanennamens herangezogen worden.188
Der Rückgriff auf einen aus der Antike bekannten, lokalen Namen in dieser Zeit
ist nicht ungewöhnlich. So wurde im gallischen Raum die römische Stadt Lutetia
nunmehr nach dem Namen der Einwohner der Region genannt : die Stadt der
Pariser.189 Im Alpenraum wurde der Name der Breonen reaktiviert.190 Einen ähnli-
chen Gedankengang hatte vielleicht auch Paulus Diaconus, als er meinte „ad Scla-
185 Siehe dazu S. 211 ff. Zu der tendenziösen Berichterstattung der Conversio : Wolfram, Salzburg, Bay-
ern, Österreich 193 ff.
186 Wolfram, Salzburg, Bayern Österreich 45.
187 Ebd. 74. Je nach angenommener Entstehungszeit des Werkes des Kosmografen von Ravenna mög-
licherweise auch Anfang des 8. Jh.
188 Kahl, Der Staat der Karantanen 419 ; Wolfram, Salzburg, Bayern Österreich 75 und Grenzen und
Räume 302 ; Gleirscher, Karantanien 25.
189 Lebecq, Les origines 27.
190 Die Breonen waren in der antiken Geografie bekannt (Plinius Nat. hist. III. 24) und erschienen dann
wieder im 6. Jh. (Cassiodor Var. I 11) und im 8. Jh. (Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 550 S. 472).
zurück zum
Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361