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Besiedlung 235
wurde richtiggehend geschliffen, da über den Grundmauern der Klostergebäude
Gräber liegen, die nur wenig jünger als diese Mauern sind. Die Verehrung des
Nonnosus wurde verlagert, denn im hohen Mittelalter taucht dieses Patrozinium
in Sonnenburg/Pustertal, Freising, Tegernsee und an anderen Orten auf. Der hei-
lige Tiburtius, dem die Kirche heute gewidmet ist, wird erst ab dem 9. Jh. häufiger
genutzt.359 Das Patrozinium deutet auf das Kloster Pfaffmünster in der Diözese
Regensburg.360 Der Untergang von Molzbichl zeigt, dass auch noch im 9. und
10. Jh. in einer christlichen Umgebung kirchliche Strukturen verschwinden konn-
ten, die starke Wurzeln in der Antike hatten. Aus noch nicht ganz erkennbaren
Gründen wurden antike Überlieferungsstränge im frühmittelalterlichen Karan-
tanien nicht geschätzt und deshalb kaum gepflegt.361 Die machtpolitischen Er-
wägungen der einzelnen Bistümer und die Konkurrenz untereinander scheinen
wichtiger gewesen zu sein, was letztendlich auf Kosten des Klosters gegangen
sein dürfte.
Besiedlung
Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf den Siedlungszentren : nicht, weil es
diese in den Alpen so häufig gegeben hätte, sondern weil hier die Überlieferungs-
lage wesentlich günstiger ist als für den ländlichen Raum. Den Entwicklungen
einer spätantiken civitas zu einer frühmittelalterlichen „Stadt“ wird daher entspre-
chend viel Raum gewidmet werden. Manche römischen Zentren konnten ihre Be-
deutung behalten und wurden frühmittelalterliche regionale Mittelpunkte, andere
hingegen verschwanden. Das Schicksal dieser spätantiken Zentralorte der Alpen
war, wie oben schon dargestellt, dicht mit der Geschichte der kirchlichen Struktur
verbunden, weshalb es einige Überschneidungen mit dem vorigen Kapitel gibt.
Nach Möglichkeit werden diese Orte nur in einem Abschnitt genauer behandelt,
doppelte Nennungen sind allerdings unvermeidbar.
Der Rückgang städtischer Strukturen entspricht logischerweise dem Wachsen
der ländlichen. Über diese kann man aber aufgrund mangelnder Quellen wenig sa-
gen : Die Behausungen waren einfach und die Wirtschaft vor allem auf Subsistenz
ausgelegt. Aber es gibt schon genügend Hinweise auf Almwirtschaft und Transhu-
manz, beides Wirtschaftsformen, die größere logistische Anforderungen stellten.
359 Karpf, Heiliger Nonnosus 156 ff.
360 Wolfram, Grenzen und Räume 124 ; Rohr, Zwischen Bayern und Byzanz 3.
361 Siehe das Kapitel „Christentum in den Ostalpen“ ab S. 207.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361