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340 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
Sporadisch kommen die alpinen, slawischen Eliten in den Urkunden zum Vor-
schein, so zum Beispiel bei der Gründungsdotation von Kremsmünster aus dem
Jahr 777. Hier wird ein lokaler Fürst namens Physso im Rang eines Župan ge-
nannt.243 Aus diesem Titel wurde erst in späteren Jahrhunderten der Titel des
Dorfältesten.244 Die bei Kremsmünster erwähnten slawischen Siedlungen in die-
sem Gebiet sind auch archäologisch erschlossen worden.245 In dieser Urkunde fin-
den sich Slawen, die ohne Zustimmung der bairischen Obrigkeit Gebiete rodeten.
Sie durften in diesem Gebiet bleiben, mussten sich dann aber dem Kloster unter-
ordnen. Als Alternative blieb ihnen, als Freie zu gehen.246
9. Jahrhundert und Ausblick
Nach dem Awarenfeldzug von Karl dem Großen Ende des 8. Jh. wurden die
Grund lagen zu einer weiteren Transformation Karantaniens gelegt : von einem
slawischen, tribalen Gebilde zu einer Region, die fest in die fränkische Hegemonie
eingebunden war. Der oben schon erwähnte Aufstand des Liudewit um 820 betraf
auch Teile Karantaniens, die sich ihm anschlossen. Wohl im Laufe dieser Auf-
stände wurde die Maximilianzelle im Pongau ein zweites Mal zerstört.247 Danach
wurde die fränkische Grafschaftsverfassung eingeführt. 248 Bereits 811 hatte sich
Salzburg Karantanien als „sein“ Missionsgebiet bestätigen lassen. Karl der Große
hatte die Drau als Grenze zu Aquileia festgesetzt.249 Im Jahr 819, wohl angesichts
der Aufstände unter Liudewit, ließ sich Erzbischof Adalram diesen Schiedsspruch
noch einmal bestätigen.250
Erst 822 urkundet die erste Person mit deutschem Namen in Karantanien : Ein
Mahtheri übergibt Besitzrechte im Trixener Tal bei Völkermarkt an das freisin-
gische Kloster Innichen. Traditionell wird dieser Mann als erster Baier gedeutet,
243 Erwähnenswert wäre hier auch der fürstgleiche Slawe Joseph, der 902 seinen Besitz dem Stift Frei-
sing übergibt und mit dem Herren der Wallburg in Thunau bei Gars am Kamp (s. u.) gleichgesetzt
wird. Wolfram, Gründungsurkunde Kremsmünster 65 ff. und Salzburg, Bayern, Österreich 356 ff.
244 Kahl, Der Staat der Karantanen 177 f.
245 Tovornik, Slawen 122 ; Szameit, Karantanen und Donauslawen 323.
246 Möglicherweise erklärt sich diese Sonderstellung daraus, dass diese Slawen auf der Flucht vor den
Awaren erst kürzlich in das Gebiet gezogen waren. Wolfram, Gründungsurkunde Kremsmünster
67 f., 80 und Text der Urkunde in Salzburg, Bayern, Österreich 379 : „si voluerint iam fatam terram
tenere, ad proserviendum contra ipsam casam dei teneant ; si vero noluerint, liberi discedant“.
247 Wolfram, Mitteleuropa 271.
248 Wolfram, Conversio 122 ff.; Wolfram, Grenzen und Räume 304.
249 MGH DD Kar. 1 Nr. 211, S. 282. Siehe auch S. 87 zur Drau als Grenze.
250 Wolfram, Mitteleuropa 281.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361