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Besiedlung 265
die ältesten Siedlungen der Alpen finden, auch römische Überreste sind besonders
häufig.520
Gelegentlich machte die besonders verkehrsgünstige oder strategische Bedeu-
tung eines bestimmten Ortes andere Nachteile wieder wett, sodass auch an ausge-
sprochen unwirtlichen Plätzen sehr alte Siedlungen gefunden werden können. Um
die Versorgung der Verkehrswege zu gewährleisten, wurden beispielsweise schon
im frühen Mittelalter auch in größeren Höhen Dauersiedlungen angelegt. Das rä-
tische Reichsgutsurbar zählt einige Raststationen (tabernae) und Ställe (stabula)
auf, die entlang der Route über die Alpen für das Wohlbefinden der Reisenden
und ihrer Tiere dienen sollten. Die stabula lagen auf über 1.750 m und mussten mit
Heu ausgestattet sein, sie lagen an nur saisonal bewohnten Höhensiedlungen. Eine
taberna befand sich auf etwa 1.700 m Höhe in der Dauersiedlung Zuoz.521 Durch
die klimatische Begünstigung und der Anlage an einem Sonnenhang war hier eine
durchgehende Besiedlung möglich. Die Lage eines Ortes so nahe an der Grenze
zum Dauersiedelraum ist für diese Zeit jedoch noch selten.
Besiedlungsdichte
Die Alpen des frühen Mittelalters gelten als dünn besiedelt – so dünn, dass eine
eigene Geschichte bislang nicht lohnend schien. Doch wie in den vorigen Kapiteln
ersichtlich, hatte sich auch schon in dieser Zeit ein dichtes Netzwerk menschlicher
Besiedlung über die Alpen gespannt. Das Gebirge besteht aus einer großen Anzahl
von wirtschaftlich gut nutzbaren Siedlungskammern, die durch Hochgebirgszonen
und im östlichen Alpenvorland durch teils dichten Wald voneinander getrennt
sind. Diese Zonen verringern die durchschnittliche Besiedlungsdichte, doch in den
Tälern und auf den Mittelgebirgsterrassen gab es regional durchaus eine hohe
Bevölkerungsanzahl. Viel genutzte Verkehrsrouten und der Bergbau bewirkten
zusätzlich einen lokalen und zeitlich begrenzten Bevölkerungsanstieg.522 Die zahl-
reichen Reiseberichte erzählen als negative Eindrücke der Reise zwar von Wildnis
und extremen Wetterbedingungen, niemals aber von Versorgungsschwierigkeiten.
Auch das ist ein Zeichen für eine durchgehende Besiedlung.523
Erste Schätzungen der alpinen Bevölkerungsgröße in ur- und frühgeschichtlicher
Zeit wurden im oberen Engadin versucht. Hier wurde aufgrund der bronze zeitlichen
520 Wallis : Wiblé (Hg.), Vallis Poenina 63 ; Inntal : Heitmeier, Inntal 31.
521 Büttner, Bündner Alpenpässe 244 ; Bünd. UB S. 394 (Rät. Reichsguturbar).
522 Mathieu, Landwirtschaft und Städtewachstum163, für Schwaz (s. o.).
523 Zu den einzelnen Berichten siehe das Kapitel „Wahrnehmung der Alpen“ ab S. 100.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361