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Wahl des Passes und der Jahreszeit 119
das Herzogtum Baiern vollständig unter Kontrolle bekommen. Damit begann die
Zeit der Königszüge über die Alpen : Von 754 bis 899 zogen nordalpine Könige
rund 50-mal über die Alpen. Sie benutzten vor allem den Großen St. Bernhard, die
zentralen Alpenpässe von Churrätien und den Reschen/Brenner.23
Wahl des Passes und der Jahreszeit
Die Menschen des frühen Mittelalters nutzten im Gegensatz zur römischen Zeit
mehr Übergänge. Welche Faktoren sind nun maßgeblich für den Gebrauch einer
bestimmten Route durch die Alpen ? Zunächst waren es die politischen Verhält-
nisse und die Vernetzung der überregionalen Zentren miteinander, die einen be-
stimmten Verkehrsweg förderten. Ein neuzeitliches Beispiel mag dies am besten
veranschaulichen : Die noch heute wichtige Querverbindung von Wien über den
Semmering nach Oberitalien war in der Antike und im frühen Mittelalter von
untergeordneter Bedeutung. Erst als Wien Residenz und damit sowohl als Zwi-
schenstation als auch als Absatzmarkt für den Handel interessant wurde und eine
schnelle Verbindung nach Venedig, dem Hauptumschlagplatz für Waren aus dem
Orient, gesucht wurde, kam es zum Ausbau und zur intensiven Nutzung des so-
genannten schrägen Durchgangs – des Weges von Venedig nach Wien durch das
Kanaltal und über den Semmering.24
Das für die Alpenpässe bestimmende politische Moment im frühen Mittelalter
war der Drang zunächst der Merowinger und später der Karolinger, ihre Reiche
über die Alpen nach Italien ausdehnen zu wollten. Dies galt in erster Linie für
die Westalpenpässe sowie die Durchgänge bei Chur. Darüber hinaus lagen diese
Übergänge sehr günstig für die Pilger und Pilgerinnen der britischen Inseln, die ab
dem 7. Jh. vermehrt nach Rom zogen.25 Der ostalpine Radstädter Tauernpass hin-
gegen hatte an Bedeutung verloren. Dies lag zunächst daran, dass das fränkische
Reich dort seine Interessen nicht gegen die ab ca. 600 herrschenden Awaren und
Slawen verteidigen konnte. Zusätzlich fielen hier die Pilgerströme weg : Nördlich
der Ostalpen gab es wenige Christen. Erst als das slawische Karantanien ab dem
8. Jh. in die fränkische Hegemonie eingebunden war, gewann der Verkehr über
die Pässe der Ostalpen wieder an überregionaler Bedeutung. Salzburg konnte von
23 Sociétés savantes de Savoie, Echanges et voyages 65 ; McCormick, European Economy 397 ; Oster,
Wege über die Alpen 64 f.
24 Csendes, Straßen 82.
25 Sociétés savantes de Savoie, Échanges et voyages 67.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361