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262 Menschen in den Alpen
werden. Die Grundstruktur ist ein streng rechteckiger Bau in Trockensteinbau-
weise aus dem Anfang des 6. Jh. Die erste Erweiterung orientierte sich noch an der
typisch römischen, also geraden und systematischen Bauweise. Die letzte, schnell
gebaute, zeigt schon eindeutig mittelalterliche Züge. Diese Zubauten und Verän-
derungen wurden im Vergleich zu vorher viel asymmetrischer angelegt, es wurde
ohne sichtbares Schema zugebaut.508
Eine weitere Wohnform, die in der Spätantike zunehmend aufkam, war die Nut-
zung von Höhlen.509 In Italien waren Höhlen nicht nur Fluchtort, sie wurden auch
richtiggehend als Behausung oder sogar Kirche ausgebaut. Die Bewohner waren
nicht arm, wie die Nutzung von Keramik und Glas zeigt.510 All diesen frühmittel-
alterlichen Wohnformen gemein ist, dass man heute nur sehr wenig über ihre
Ausstattung sagen kann und den möglichen Luxus an vergänglichen Materialien
nicht unterschätzen sollte, also beispielsweise Teppiche, kostbare Stoffe, aufwen-
dig geschnitztes Holzgeschirr und Ähnliches.
Siedlung : Lage und Versorgung
Ein Problem städtischer Zentren im Alpenraum ist die Versorgung, denn im Ver-
gleich zum flachen Land ist die für die Landwirtschaft nutzbare Fläche stark einge-
schränkt. Für die frühe Neuzeit gibt es Berechnungen, die ergeben, dass sich eine
Stadt mit einer Bevölkerung von bis zu 20.000 Menschen alleine aus dem Umland
ernähren konnte. Die zur Verfügung stehende Fläche ergibt sich aus einem Radius
von zwischen 10 und 15 km, also die Strecke, die eine Person noch innerhalb eines
Tages hin und zurück gehen konnte, um beispielsweise in einem Markt Waren
anzubieten. In den Alpen ist nun ein großer Teil dieses Umlandes entweder durch
eine Bergkette oder andere Hindernisse nicht erreichbar beziehungsweise landwirt-
schaftlich nicht oder nur wenig nutzbar. Je nach Lage innerhalb der Alpen können
Flächen bis zwischen 800 m (Alpenrand) und 2.000 m (bestimmte Regionen des
Alpeninneren) Höhe bewirtschaftet werden.511 Die durch den Naturraum definierte
Versorgungslage bestimmte also wesentlich die Anlage größerer Zentren.
Es zeigt sich – nicht ganz überraschend –, dass vor allem das Klagenfurter Be-
cken für die Anlage größerer Siedlungen günstig ist, da sich fast das gesamte Ge-
508 Porte, L’Habitat mérovingien de Larina 12.
509 Pauli, Die Alpen 123 ; Buisson, Les Grottes – Refuge d’Epoque Romaine dans le Jura Meridional et
les Alps du Nord Françaises 52 ff. für die römische Zeit. Fluchthöhlen gab es auch in Istrien. Wald-
müller, Die ersten Begegnungen der Slawen 289.
510 Christie, Landscapes of Change 20.
511 Bätzing, Alpen 75 ; Mathieu, Urbanisierung in den Alpen 352.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361