Seite - 249 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Bild der Seite - 249 -
Text der Seite - 249 -
Besiedlung 249
konstant und die schriftlichen Quellen offenbaren ein Weiterbestehen der Stadt,
es gab einen Bischof und verschiedenstes städtisches Personal sowie militärische
Würdenträger. Dennoch veränderten sich auch in diesen Städten die Strukturen
stark. Es wurde vermehrt Holz verwendet, öffentliche Bauten wie Straßen, Was-
serleitungen und Kanalisation verfielen zunehmend, ungenutzte Areale wurden
in landwirtschaftliche Flächen verwandelt und innerhalb der Wohngebiete wur-
den Friedhöfe und Gräber angelegt. In den Häusern wurden Räume in einfachs-
ter Mauertechnik um- oder zugebaut und die manchmal qualitätvollen Fußböden
nicht repariert, sondern durch gestampfte Lehmböden ersetzt.434
Chur war nicht nur christliches, sondern auch herrschaftliches Zentrum des
ganz auf alpinem Gebiet gelegenen Churrätien. Der Ort selbst folgte der charak-
teristischen Entwicklung spätantiker Städte, allerdings auf viel kleinerem Raum.
Zuerst existierte am Platz des heutigen „Welschdörfli“ eine römische Talsiedlung,
die vermutlich nicht ummauert war. Trotz einer Brandkatastrophe in der zweiten
Hälfte des 3. Jh. war dieses Dorf noch im 5./6. Jh. bewohnt. Zwei merowingische
Scheibenfibeln könnten auf eine Besiedlung im frühen Mittelalter deuten. Letzt-
endlich zeigt die Bezeichnung „Welschdörfli“, dass hier noch in viel späterer Zeit
Romanisch sprechende Menschen wohnten. Der Verwaltungsmittelpunkt wurde
auf einem nahe gelegenen Hügel angelegt. Dort befand sich ein nur 1,18 ha kleines,
spätrömisches Militärkastell, in dem es schon in der Frühzeit mehrere Kirchen
gegeben haben dürfte. Hier lag, vermutlich unterhalb der heutigen Marienkathe-
drale, der spätantike Bischofssitz. Rund um das Kastell gab es weitere Kirchen. Die
meisten stammen aus karolingischer Zeit, einige könnten älter sein. Die Anzahl
der frühmittelalterlichen Siedlungen rund um Chur ist noch unbekannt. Der Raum
des ehemaligen römischen castrum wurde übrigens ab dem 7. Jh. bis hinauf in das
14. Jh. civitas genannt.435
Höhensiedlungen und Burgen
Im Laufe der Spätantike verlagerten viele Städte ihre Zentren in schützende Hö-
hen, andere wurden dort neu angelegt oder griffen vorrömische Hügelsiedlungen
wieder auf.436 Aufgrund der günstigen topografischen Voraussetzungen wurde ge-
434 Wickham, Framing 672 ff.; Für Trient : Cavada, Trient 242 ff.; Italien allgemein mit einigen Städten
als Beispiel : Christie, From Constantine to Charlemagne 227 ff.
435 Kaiser, Churrätien 103 ff.; Sennhauser, Katalog der frühchristlichen und frühmittelalterlichen Bau-
ten 69.
436 Siehe FN 391, S. 241. In Italien ist der Wechsel der Besiedlung vom Tal in die Höhe im Laufe des
frühen Mittelalters in vielen Regionen zu beobachten. Arthur, from Vicus to Village 119.
zurück zum
Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361