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Christentum 223
Gebäude nieder – zumindest beklagen das die Quellen.288 Auch die Langobarden
hatten gelegentlich Klöster geplündert.289
Westalpen
Das älteste bekannte Kloster des gesamten Alpenraumes ist St. Maurice d’Agaune.
Dieses liegt am Weg zum Großen St. Bernhard etwa 25 km vom Genfer See ent-
fernt am Eingang des Wallis, an einer militärisch äußerst wichtigen Engstelle. Schon
Ende des 4. Jh. begründete Bischof Theodor von Octodurum hier den Kult um die
Märtyrer der thebäischen Legion. Im 5. Jh. zog die Basilika nahe des Zollpostens
Acaunum viele Pilger und Pilgerinnen an, die in einem eigenen Gebäude unter-
gebracht wurden. Betreut wurde der Kultort in dieser Zeit von einer gemischten,
ungeregelten religiösen Gemeinschaft.290 Die erste und älteste Route der Pilger
und Pilgerinnen von den britischen Inseln nach Rom führte über den Großen St.
Bernhard, St. Maurice wurde daher ein wichtiges Wallfahrtszentrum.291 Im Jahr 515
kam es zu der offiziellen Gründung durch den burgundischen Königs Sigismund,
der dabei das Kloster reich ausstattete.292 Die Überlieferung nennt dafür persönli-
che bzw. religiöse Motive,293 möglicherweise hatte der König aber schon die Ein-
bindung des Klosters in die Verkehrsorganisation vor Augen. Die Abtei zählte bald
aufgrund des Reichtums an Reliquien und der eigentümlichen Form der Liturgie,
der „laus perennis“, zu den bedeutendsten seiner Zeit. Die Merowingerkönige
wurden aus strategischen Gründen auf das Kloster aufmerksam, denn die Straße
nach Italien erlangte gerade Ende des 6. Jh. durch die Konflikte mit den Langobar-
den in Oberitalien zusätzlich an Bedeutung. Guntram (561–592), merowingischer
König von Burgund, begründete die enge Beziehung zwischen dem Kloster und
dem Königshaus. Zwischen 616 und 620 erhielt St. Maurice das Recht, Münzen
zu prägen, und um 655 wurde die Exemption gegenüber der Diözese bestätigt.294
Die Ausstattung des Stifts, die sich in der Fassung B der Gründungsurkunde aus
dem Ende des 8. Jh. findet, umfasst Güter in den gesamten Westalpen : Im Wallis
288 Kaiser, Churrätien 120 zeigt eine Karte der Züge der Sarazenen und die von ihnen zerstörten Klös-
ter. Sénac, Musulmans et Sarrasins dans le sud de la Gaule und Lacam, Les Sarrazins dans le haut
Moyen Age français.
289 St. Maurice : Marius v. Avenches MGH Auct. ant. 11 a. 515, S. 239 ; Montecassino : Paulus Diaconus
Hist. Lang. IV 17.
290 Zufferey, Die Abtei Saint-Maurice 28 f.
291 Sociétés savantes de Savoie, Échanges et voyages 66.
292 Theurillat, L’acte de fondation de l’abbaye 57 ff.
293 Gregor von Tours Hist. III 5 ; Fredegar IV 1.
294 Rosenwein, One site, many meanings 280 ff.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361