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44 Naturraum Alpen
ihre Lage hin, beispielsweise Krakauschatten in der Steiermark oder die zahlrei-
chen „Sonnberge“ der Ostalpen. Fast immer findet man die ältesten Siedlungen auf
der Sonnenseite eines Tales. Nur bei besonderen Gegebenheiten, beispielsweise
wegen Bergbau oder strategisch günstiger Lage, liegen sie auf der Schattenseite.
In Gegenden mit einer Überlagerung verschiedener Bevölkerungsgruppen kann
man oft am Alter der Ortsnamen erkennen, dass die Neuankömmlinge nicht mehr
auf den sonnigen Terrassen in mittlerer Höhe siedeln konnten, da diese schon
von der Vorbevölkerung besetzt waren. So befinden sich im Inntal Siedlungen mit
vorrömischen Namen meist oberhalb des Talbodens auf den günstigen Lagen der
Mittelgebirgsterrassen in etwa 900 m Höhe, im Gegensatz zu den römischen, die
auf dem Talboden liegen.99
Auch noch in der frühen Neuzeit siedelten die Menschen lieber am Sonnen-
hang : So hatte der auf einem 1.500 m hohen Südhang gelegene Ort St. Jean d’Arves
in der westalpinen Maurienne im Jahr 1630 2.460 Einwohnern und damit deutlich
mehr als der administrative Hauptort St. Jean de Maurienne mit 2.089 Einwoh-
nern, 590 Meter hoch und im Tal gelegen. Dies änderte sich erst in heutiger Zeit,
da die trockengelegten Sümpfe die Täler besiedlungsfreundlicher machen und vor
allem die bessere Erreichbarkeit die Tallagen ganz besonders begünstigt.100
Doch eine Lage am Sonnenhang reichte für einen günstigen Siedlungsplatz
alleine nicht aus : die Position in den europäischen Klimagroßräumen sowie die
lokale Topografie bestimmte, ob die theoretisch mögliche Sonnenscheindauer
überhaupt ausgereizt werden konnte oder ob sie sich beispielsweise durch einen
lokalen Niederschlagsmangel nicht sogar negativ auswirken konnte. Die oben ge-
nannte Inversion bewirkt etwa, dass das ansonsten günstig gelegene Zeltweg al-
leine aufgrund des dort gerne auftretenden Nebels durchschnittlich 100 Tage im
Jahr keinen Sonnenstrahl sieht.101
Trockenes Klima der inneralpinen Täler
Die hohen Gebirgsketten der Alpen lassen den Niederschlag der Frontsysteme in
den Voralpen abregnen, daher sind die inneralpinen Täler aufgrund ihrer geschützten
Lage relativ trocken (600–1.000 mm Niederschlag/Jahr) und wegen der geringeren
99 Heitmeier, Inntal 99 f.
100 Während Letzterer bis zum Jahr 1962 seine Einwohnerschaft fast vervierfachen konnte, lebten in
Ersterem nur mehr 342 Menschen. Monnier, Exploitation litteraire 40. Der Tourismus hat diese
Situation allerdings an vielen Orten wieder umgekehrt.
101 Digitaler Atlas Steiermark, Schlagwort „Klimaregionen“ http ://www.gis.steiermark.at und http ://
www.umwelt.steiermark.at unter dem Menüpunkt Klima/Klimaregionen.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361