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Geschichte und Strukturen 115
und man blieb abhängig von der Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Einhei-
mischen.1
Die wichtigsten Nutzer der Wege waren militärische oder zivile Repräsentanten
der Herrschaft, aber auch Pilger und Pilgerinnen sowie verschiedenste Vertreter
der Kirche. Ein auch im frühen Mittelalter bedeutender Anteil der Reisenden wa-
ren immer noch die Händler. Zu einem Kapitel über die alpinen Kommunikations-
und Verkehrsrouten des frühen Mittelalters gehört also auch die Frage, welche
Produkte über die Alpen transportiert und welche aus dem Gebirge heraus expor-
tiert wurden.
Geschichte und Strukturen
In vorrömischer Zeit wurde die Organisation der Wege über die Alpen von den
Einheimischen geregelt. Sie führten durch das Gebirge, halfen beim Transport und
schützten vor Räubern. Diese Hilfe konnte aber auch in das Gegenteil umschlagen,
denn im ungünstigsten Fall blockierten die Gebirgsbewohner eine Route, indem
sie ihre Dienste verweigerten, zu teuer machten oder überhaupt den Pass ganz
sperrten.2 In vorrömischer Zeit wurden alle nutzbaren Wege begangen, teilweise
lagen die Übergänge weit oberhalb der Schneegrenze, wie beispielsweise der Fund
des prähistorischen Eismannes am 3.200 m hohen Tisenjoch zeigt. Das Ziel war,
den kürzesten und einfachsten Weg durch die Alpen zu begehen.3
Nachdem die Römer die Alpen erobert hatten, gingen sie sofort daran, die Pass-
wege auszubauen. Diese Straßen waren für das römische Reich äußerst wichtig, da
sie die schnellstmögliche Verbindung Richtung Gallien und der Donau nördlich
der Alpen gewährleisteten. In erster Linie ging es um die Truppen, die durch die
nun gut ausgebauten Straßen schnell verschoben und versorgt werden konnten.
Nebenwege wurden dabei vernachlässigt und der Verkehr auf wenige Übergänge
zusammengefasst. Auf diesen wurden besonders gute Straßen errichtet, die teils
sogar durchgehend als Fahrwege nutzbar waren. Größtenteils befahrbar waren
der Montgenèvre, der Große St. Bernhard, der Septimer und Julier in Graubünden,
der Reschenpass, der Brenner sowie der Radstädter Tauernpass.4 Allerdings waren
1 Neiske, Europa 182 ff.; Vita Columbani I 27 MGH SS rer. Merov. 4 S. 101 ff.; Reisebericht der Nonne
Egeria ed. Donner 7.4 und 9.3.
2 Leguay (Hg.), Savoie 185 ; Strabon IV 6.6 und 6.7.
3 Unter „einfach“ wurde ein komplexes Bündel an Eigenschaften verstanden, auf das im nächsten Ka-
pi tel eingegangen werden wird.
4 Walser, Studien zur Alpengeschichte in antiker Zeit 10 ; Sauer, Straße (Straßenbau) 522.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361