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164 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
den des nördlichen Alpenrandes. Nicht unterschätzt werden sollte auch der Auf-
wand an Lebensmitteln für die Versorgung der mit der Salzwirtschaft beschäftigten
Menschen, der einen gewissen Organisationsgrad erforderlich machte.
Stein
Marmor und andere Schmucksteine waren in der Antike beliebte Exportprodukte
der Alpen. Schon Plinius der Ältere schwärmte von den 1.000 Marmorarten der
Westalpen und beschrieb den Aufwand, den die Römer betrieben, um an kost-
bare Steinplatten zu kommen : Selbst die höchsten Gipfel der Alpen stellten dafür
kein Hindernis dar.284 Der Trend zum Holzbau ab dem 6. Jh. und die unsiche-
ren Handelsverbindungen bereiteten diesem Handelszweig aufgrund der hohen
Transportkosten und dem gesunkenen Bedarf größtenteils ein Ende. Trotzdem
lassen sich auch hier noch Spuren von Kontinuität nachweisen. In Churrätien ließ
der Praeses Victor Anfang des 8. Jh. zwei Grabsteine errichten. Einer war für sei-
nen Großvater Victor, ein Bischof Churs, und für den Jactadus bestimmt. Bei dem
anderen ist die Widmung leider nicht mehr erhalten. Den Aufwand, den er betrieb,
um einen standesgemäßen Stein für die Denkmäler zu erwerben, ließ er inschrift-
lich auf ebendiesen Steinen festhalten : „Hic sub ista labidem marmorea quem Vec-
tor ver inluster preses ordinabit venire de Triento hic requiescit claresimus […]
proavus domni Vectoris episcopi et domni Jac(ta)di.“285 Auf der anderen Inschrift
wird die Herkunft des Steins mit „de Venostes“ 286 angegeben. Victor ließ demnach
die Steine von Trient bzw. dem Vinschgau über die Pässe nach Chur transportie-
ren. Man kann nach diesem einzelnen Zeugnis nicht von einem richtigen Marmor-
handel sprechen. Doch man sieht, dass die antiken Strukturen auftragsbezogen
noch funktionierten. Außerdem zeigt sich hier, dass die Transportwege auch auf
weniger bedeutenden Alpenübergängen so gut ausgebaut waren, dass ausgefallene
und sperrige Güter transportiert werden konnten.
Das typische Produkt der Alpen im frühen Mittelalter sind Gefäße aus Speck-
stein, die vor allem als Kochgeschirr dienten.287 Die Abbauorte dieses Steins be-
schränken sich nur auf die Orte der Alpen, an denen die alten Gesteinssockel
zutage treten, also das Aostatal und der Raum Chiavenna. Weniger große Fund-
stellen ziehen sich von den Seealpen bis nach Graubünden. Eine Werkstatt für
284 Plinius d. Ä. Nat. Hist. XXXVI 1 ; Braemer, L’Exploitation et le commerce 33 f.
285 Bünd. UB I Nr. 11 S. 8 f.
286 Bünd. UB I Nr. 12 S. 8 f.
287 Gross/Zettler, Nachantike Lavezfunde 18 ff.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361