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230 Menschen in den Alpen
sich aber auch die Lage an der Brennerroute im 8. Jh. noch nicht, da in dieser Zeit
eher der Reschen genutzt wurde. Schlehdorf liegt in dieser Beziehung günstiger,
da es durch seine Position beide Routenmöglichkeiten abdeckt.
769 wurde vom Kloster Scharnitz aus das an der Grenze zu den Slawen gele-
gene Innichen gegründet.332 Möglicherweise wurde die Erfahrung des Abtes mit
alpinen Regionen gesucht und deshalb Innichen in seine Verantwortung gegeben.
Eine andere Parallele ergibt sich zweifellos aus der Lage an einer wichtigen Ver-
kehrsverbindung, die im Bereich von Innichen offenbar noch wenig herrschaftlich
kontrolliert war. Innichen liegt nicht nur an der Route zum Drautal, die über Agun-
tum in das slawische Karantanien und nach Pannonien führt, sondern auch an der
antiken Via Claudia Augusta Altinate, die über den Kreuzbergpass nach Friaul ging.
Auch das im Jahr 741 gegründete Füssen befindet sich direkt an einer Alpent-
raverse, nämlich der Via Claudia Augusta Padana, die über den Reschenpass nach
Oberitalien führte. Wie bei Scharnitz gibt es auch hier unmittelbar nach dem Klos-
ter in südliche Richtung eine Engstelle, nämlich die Füssener Enge. Im Ort selbst
wurde ein römisches Kastell ausgegraben.
Die Klöster des Alpenvorlandes wurden mit Gütern innerhalb der Ostalpen
beschenkt, um dort den herrschaftlichen Raum auszubauen und zu sichern. So
schenkte König Karlmann 877 dem Stift Altötting Güter in Treffen am Ossiacher
See in Kärnten. Eine These sieht als Motiv dieser Schenkung die Bodenschätze der
Umgebung.333 Andererseits befindet sich Treffen sehr nahe zu der immer wichti-
ger werdenden Route über die Radstädter Tauern Richtung Oberitalien (über das
Kanaltal) aber auch Unterpannonien (über die Drau). Über die Verbindungen von
Freising und Salzburg in das Gebirge und in den Süden wurde oben und wird im
Folgenden noch gesprochen werden.
Ostalpen
An den nördlichen Ausgängen der Verkehrsrouten über die Ostalpen lagen die
Klöster Mondsee und Kremsmünster. Von Mondsee (gegr. um 748) gelangte man
über Bad Aussee und Irdning über das Paltental Richtung Pannonien oder über
einen Tauernpass in den karantanischen Kernraum. An strategisch wichtigen Punk-
ten wurden in Krungl bei Bad Mitterndorf und in Hohenberg bei Irdning slawische
Gräber des 8./9. Jh. gefunden. Eine andere frühmittelalterliche Fundstelle mit der-
selben Datierung konnte bei Micheldorf ergraben werden, das nur 20 km südlich
332 Zu Innichen siehe folgendes Kapitel ab S. 233.
333 Störmer, Frage der Funktion des kirchlichen Fernbesitzes 380 ff.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361