Seite - 40 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Bild der Seite - 40 -
Text der Seite - 40 -
40 Naturraum Alpen
hohe Sonnenscheindauer geprägt ist. Auch hier ist regional eine extreme Nieder-
schlagsintensität möglich, hier fällt die gleiche Regenmenge wie im Norden inner-
halb von viel kürzerer Zeit, bis zu 359 mm an einem Tag sind möglich. Der Os-
ten ist schon vom kontinentalen Klima der großen Landmasse Eurasiens geprägt.
Dieses Klima bewirkt trockene Luft, kalte Winter und heiße Sommer.74 Welcher
dieser Einflüsse sich letztendlich durchsetzen kann und damit das jeweilige Wetter
erzeugt, wird durch die großräumige Bewegung der Luftmassen bestimmt.
Lokale Faktoren
Diese großräumigen, globalen Klimafaktoren treffen im Gebirge auf die lokal wirk-
samen. So gibt es beispielsweise das physikalische Phänomen, dass die Atmosphäre
umso kälter wird, je höher die Lage ist. Üblicherweise geht man von 0,4–0,7 °C
kühlere Luft pro 100 Höhenmeter aus.75 Zahlreiche Einflüsse können in den Alpen
diese typische Temperatursenkung jedoch geradezu umkehren. Ein Beispiel dafür
ist die Inversion. Hier gleitet besonders in windarmen Schönwetterperioden der
Wintermonate76 kalte Luft in den Talboden und bildet einen Kältesee. Die darüber-
liegende Luft ist deutlich wärmer : Der Temperaturunterschied beträgt direkt an
der Grenze zwischen Warm- und Kaltluft zwischen 5–10 °C, oft innerhalb von nur
40–50 Höhenmetern. Zwischen den Luftschichten bildet sich daher oftmals Nebel.
Die Obergrenze des Kaltluftsees variiert je nach Jahreszeit, im Winter erstreckt er
sich oftmals bis zur Waldgrenze.77 Dieses Wetterphänomen kann in den gesamten
Alpen auftreten, besonders regelmäßig in geschlossenen Tal- und Beckenland-
schaften wie das Kärntner Becken oder das Engadin.78 Der Salzburger Lungau
entwickelt sich aufgrund der im Tal eingeschlossenen Kaltluft zu einem richtigen
Kältepol und hat mit Spitzen von –30 °C eine ähnliche Tiefsttemperatur wie der
Sonnblick auf über 3.000 m mit bis zu –36,6 °C.79 Die Passhöhen der Ostalpen
sind daher im Winter oft milder als die Talböden. Ein frühmittelalterlicher Reisen-
der konnte auf 1.800 m Höhe im Sonnenschein angenehme Plusgrade antreffen,
während die Raststationen im Tal bei großer Kälte im Nebel versanken. Die am
günstigsten temperierten Siedlungsplätze lagen daher in den mittleren Hanglagen
74 Endlicher, Klimatologie 87, 36, 41, 58 f. (Temperatur) und 64 f. (Niederschlag), 90.
75 Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 22.
76 Diese Kaltluftseen können sich auch im Sommer bilden, sind dann jedoch weniger auffällig.
77 Franz, Ökologie der Hochgebirge 78.
78 Kral, Waldgeschichte der Alpen 9.
79 Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 100 ; Endlicher, Klimatologie 79.
zurück zum
Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361