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170 KAPITEL3. ZIELSUCHE
Städtisch oder staatlich? Kompetenzfragen lassen Schüler frieren Unhaltbare Zustän-
de lesen.19Wirwaren natürlich richtig stolz auf eine derartige unerwarteteAuswirkung
unserer Initiative in allerÖffentlichkeit.
In der Schule herrschte dagegenEmpörung und ichwurde ohne genaueresNachfragen
wohl alsHauptschuldiger ausgemacht.Da ein offenerAustauschnicht stattfand, erfuhren
wir nichts Genaueres. Aber das geänderte Verhalten einiger Lehrer und die spürbare
allgemeineStimmungsverschlechterungdeuteteaufnichtsGuteshin.DerDirektorsahsich
zu einer Stellungnahme in der Zeitung gezwungen, in der er ganz andereMeßergebnisse
als diejenigen der Journalisten behauptete.
DabeidürftenwirmitunsererAktionderSchuledurchauseinenDienst erwiesenhaben,
dessen Würdigung bis heute aussteht. Denn jeder aufmerksame Zeitungsleser kann es
täglicherfahren,daßPolitikerstauföffentlichenDruckhinreagiert,vorallemwennervon
Presseorganenwiedem8-Uhr-Blatt,derBildzeitungoderdemSpiegelaufgebautwird.Die
BemühungenumeinendringendbenötigtenNeubauhatten sich übermehr als ein halbes
Jahrzehnt hin schleppend und erfolglos hingezogen. Erst im außerordentlichenHaushalt
für 1955 [wurde] eine Summe von 600 000 DM ... eingesetzt ... und am 18. März
1955 wurde mit dem Bau begonnen. 20 Sicher hat für den Baufortschritt unsere Aktion
nicht geschadet, sondern eher war infolge des weiter aufgebauten Drucks das Gegenteil
der Fall und der schließlich beeindruckend schöneBauwurde inRekordzeit fertiggestellt
und am11.9.1956 feierlich eingeweiht.21Es gab auch in der seriösenZeitung Nürnberger
Nachrichten (NN)mindestens einenArtikel zu der vorangegangenendesolatenSituation
desGymnasiums.22
Warum also hat man uns als Reaktion auf unsere Aktion unter Druck gesetzt statt
uns zu loben?Auch dieser Fall hat nachmeiner Einschätzungmit dem schon im letzten
Fall erneut genanntenRuisinger-Phänomen zu tun, hier in einem komplexerenKontext.
Wir haben uns bei unserer Aktion nicht vom üblichen Verhalten leiten lassen, sondern
haben uns stattdessen etwas Eigenes ausgedacht. Die menschliche Gesellschaft fördert
198UhrBlatt, 35.Jhrg., Nr.52,Mittwoch 22.2.1956, S.8. EineKopie desArtikels verdanke ichmeinem
KlassenkameradenPeterMolter.
20WaltherKluge, aaO., S.49.
21NürnbergerNachrichten, 12.Jhrg., Nr.214,Mittwoch 12.9.1956, S.11f. VomTag der Einweihung hat
uns die Chefphotographin der Nürnberger Nachrichten, Frau Gertrud Gerardi, ein schönes Bild von
mir zur Verfügung gestellt, das sich im FAWB3, S.50, findet. Mein schwarzer Anzug auf demBild do-
kumentiert, daß ich auch bei der Gestaltung dieser Einweihungsfeier im Orchester mitwirkte, das die
Veranstaltungmusikalisch umrahmte.
22Walther Kluge, aaO., nennt auf S.49 Photos in dieser Zeitung, verschweigt aber den 8-Uhr-Blatt
Artikel. EntsprechendeNNArtikel habe ich nicht recherchiert.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427