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190 KAPITEL3. ZIELSUCHE
lag er mit seiner Anschuldigung vielleicht gar nicht so daneben. Auch wenn ich mich
überhaupt nicht mehr an entsprechende Details erinnere, könnten die beiden Mädchen
sogar die Töchter des Bauern gewesen sein, die unter die Haube zu bringen in dieser
abgelegenen Gegend für ihn in diesem Fall durchaus eine Herausforderung dargestellt
hätte.
Es ist das Natürlichste der Welt, daß ein junges Pärchen in unserem damaligen Al-
ter, das unsterblich ineinander verliebt ist, irgendwann auch imBett zueinander findet.
Findig wie ich war, habe ich auch allesMögliche versucht, Traudl dazu zu bewegenmit
mir zu schlafen, unter anderen bei den folgenden Gelegenheiten. Eine Möglichkeit bot
sich ausmeiner Sicht, als die bisherigenMieter im zweiten Stock unseres Hauses, die im
Abschnitt 2.4 bereits genannte Familie Späth, auszogen. Bis zum Einzug der Nachmie-
ter, Familie Hagemeyer, standmir eine leereWohnung zur Verfügung, die ich für einen
Besuch vonTraudlmitMatrazen ausstattete.Mit einem es passiert gar nichts machte
siemeine entsprechendenAndeutungenbei ihremnächstenBesuchunerbittlich zunichte.
Ich besuchte sie bei einer weiterenGelegenheit mit demMoped im Sommerinternat am
Genfer See,was sie aber auch nichtweiter beeindruckte, vielmehr vielleicht sogar eher in
Verlegenheit brachte. Jahre später wiederholte sich der Frust dann amEnde einer Reise
nachSüdfrankreich inderHotelfachschule inTegernsee,die sienachdemAbiturbesuchte.
Nochwährend ihrerSchulzeit gab ich ihrHilfestellung inMathematik,wozusiemichauch
in meiner Studentenbude in Erlangen besuchte. Alles ließ sie dabei mit sich geschehen,
sodaß ich sie sogarnackt imBett liebkosendurfte.Nurvor einenBeischlaf hatte sie einen
eisernenRiegel geschoben: sonst komme ich nichtmehr vonDir los. Diese unnatürliche
Konsequenz hat unsere Liebe allmählich zermürbt und mich zunehmend als quasi ver-
schmähter Liebhaber verunsichert. Natürlich war ich als völlig unerfahrener Jungmann
damals auch noch lange nichtwirklich Manns genug , um sie einfach zu erobern . Etwa
1960 ist sie nach Paris verschwunden und ließ sich zur Stewardess ausbilden. Von da an
mußte ich die Hoffnung auf sie endgültig begraben, selbst wenn ich sie auch dann im-
mer nochnicht ganz vergessen konnte undumgekehrt auch sie nochüber Jahrzehnte den
Kontakt zumir zu suchen schien.
In einem Brief vom Juni 1964 schrieb sie mir vielsagend: Du weißt ja, was ich mir
vorgenommen habe ... . Heute könnte ich mir denken, daß es damals in Kirchberg am
Höhepunkt unserer Liebe nicht zuletzt auch durch ihren Vater zu einem solchen festen
Entschlußgekommenwar,daß ich für sienurals jugendlicherGespiele, abernichtalsdau-
erhafterundvollgültigerPartnerakzeptabelwäre.DerVaterwarChefarztamCnopfschen
Kinderspital, das inmeinemLeben schon einmal eine schicksalhafteRolle gespielt hatte,
von der imAbschnitt 2.2.2 die Rede war. Die Familie verkehrte nur in wohlhabendsten
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427