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192 KAPITEL3. ZIELSUCHE
DanachwiesunsereBeziehungalleMerkmaleeinerechtenLiebeauf, auchwennesnicht
zur kulminierendengeschlechtlichenVereinigunggekommen ist. Sie erfüllte unsbeidemit
jenerKraft und jenemSicherheits- und Selbstwertgefühl, das ich dort beschrieben habe.
DieRepräsentationvonTraudl inmirmachte sie zumMaßstabbeiallenVersuchenmeines
LibidoakteurshinzuanderenpotenziellenLiebespartnerinnen,vondenenes inden folgen-
den Jahren zwar eine ganzeReihe gab,mit denen ichmich dann aber jeweils doch nicht
intensiver einlassen konnte, weilmeine geliebteTraudl immer noch dazwischen stand. In
gewisserHinsichtwardas fürmichalsweiterhinSuchender, dabei aber quasiGebundener
und entsprechend Gehemmter, eine krisenhafte Situation, deren Überwindung in einem
jahrelangenProzeßmich inmeinerPersönlichkeitsentwicklung letztlichwohl gestärkthat.
Jedenfalls glaube ich,daß sichmeineungewöhnlich lange sexuelleEnthaltsamkeit letztlich
in vielerleiHinsicht durchaus alsVorteil fürmeinePersönlichkeitsentwicklung ausgewirkt
hat. Insgesamt zeigt sich indiesemAblauf erneutdasunter Erschwernismit glücklichem
Ausgang imAbschnitt 3.1 apostrophierte Lebensmuster, wobei wir auf den glücklichen
Ausgang erst imweiterenVerlauf zu sprechen kommenwerden.
Für Traudl, mit der sich im Laufe meines Lebens noch eine Reihe von Begegnungen
ergaben, lief danach Einiges so tragisch, daß sie selbst von einemFluch sprach, der auf
ihr und ihrer Familie laste. Es sei davon nur erwähnt, daß ihr nächster Freund nachmir,
mit dem sie nach eigener Aussage dann auch geschlafen hatte, nach einer relativ kurzen
Zeit des Zusammenseins sich durch einen Frontalaufprall am Pfeiler einer Brücke über
die Autobahn das Leben nahm. Ohne Kenntnisse weiterer Details maße ich mir keine
Interpretation dieses dramatischenGeschehens an. Es wäre gleichwohl ein eher unwahr-
scheinlicherZufall, daß ihrevormaligeBindungzumir beispielsweisedievielleichtnoch
nicht verarbeitete Repräsentation des vormaligen Du in dieser Tragödie überhaupt
keineRollegespielthätte,auchwennsie selbst sichdessenmutmaßlichnichtbewußtgewe-
senwar.JedenfallswardannauchTraudlsVater,der sichunsensibelundunangemessen in
das Liebesleben seiner Tochter eingemischt hatte, in dieser tragischen Situation nicht zu
beneiden. Sein Schicksal war ihmdemVernehmen nach dann auch nichtmehr gesonnen.
Anstelle derVorstellung einesFlucheswürde ich eher nachgrundsätzlichen Strategiefeh-
lern impersönlichenVerhaltenderFamilienmitglieder suchen.Das angestrebteLeben in
einem statusadäquatenWohlstand hatTraudl jedoch schließlich voll erreicht und so ihre
ausdemgenanntenBrief obenzitierteSelbsteinschätzung ( ... was ichmirvorgenommen
habe ... ) überzeugend bestätigt. Insoweit war diese ihre vielleicht oberste Verhaltens-
strategie durchaus erfolgreich.
Auchweit über die Zeit jenes Sylvesterabends 1957 hinaus blieb ich also ein keuscher
Jüngling, der auf sein erstes erfolgreiches sexuelles Abenteuer noch lange, nämlich bis
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427