Seite - 238 - in Reflexionen vor Reflexen - Memoiren eines Forschers
Bild der Seite - 238 -
Text der Seite - 238 -
238 KAPITEL3. ZIELSUCHE
Physikprofessoren für das weitere Studium attraktiv genugmit der beschriebenen Aus-
nahme von Finkelnburg, der aber eben nur als Honorarprofessor an der Uni tätig war.
Ichmußte alsoweg.Heidelberg hatte beimir damals einen klangvollenNamen sowohl in
Bezug auf dasAnsehen seinerUniversität, nicht zuletzt inmeinemFachPhysik, als auch
als romantisch-lebenswerte Studentenstadt, in der ich zurück in ein volleres Lebenfinden
könnte.166
Unmittelbar nach jenemalles entscheidendenDonnerstagpackte ich alsomeineSachen
in denVWund fuhr damit nachHeidelberg in eine völlig ungewisse Situation. Die erste
unddringlichsteAufgabebestanddarin,einDachüberdemKopfzufinden.Heidelberg litt
unter einemgravierendenMangel anStudentenbuden.Da ich infolgedesPrüfungstermins
erst eineWoche nach demBeginn derVorlesungen eintreffen konnte, waren dieChancen
für eine erfolgreiche Suche nahezu null. Es gab ja auch noch kein Internet oder andere
hilfreiche Techniken, die die Zimmersuche unterstützen hätten können. Zeitungsannon-
cen undAushänge amSchwarzenBrett des Studentenwerkes waren die einzigmöglichen
Informationsquellen. Auf der edlen rechtenNeckaruferseite hätte ich ein Zimmermieten
können, jedoch zu einemPreis, dermein gesamtesMonatsbudget verschlungen hätte. So
landete icherst einmal ineinemZimmer ineinemFremdenheiminderGaisbergstraße,das
ichmirmit einemPalestinenser teilte,wasmirLuft für eine eingehendereSucheverschaff-
te.VondemPalästinenser bekam ich aus ersterHand erstmals den tiefen und erbitterten
Haß zu spüren, den Palästinenser gegenüber den Israelis empfanden und teilweise wohl
noch immer empfinden. Hiernach warmir inmeiner Situation überhaupt nicht zumute,
sodaß ichmich in diesemZimmer vorzugsweise nur zumSchlafen aufhielt.
Inmir hatte sich, wie gesagt, in den Jahren davor die Sehnsucht nach erfreulichenEr-
lebnissenaufgestaut,die sichnunentladenwollte. IneinerderartigenSituationbegibt sich
derMenschauf suchendeWanderschaft.WohlgleichamerstenWochenende fuhr ichdaher
Neckar-aufwärts Richtung Neckargmünd, um dort zuMittag zu essen. Nach demEssen
sprach mich auf dem Parkplatz ein junger Mann an, ob ich ihn imWagen mitnehmen
könnte. Auchwenn es sich bei ihmumeine offensichtlich recht einfach gestrickte Person
handelte, warmir inmeiner Situation ganz allein in der Fremde auch seineGesellschaft
durchaus recht, was er offenbar sehr schnell gespürt hatte. Es gelang ihmdaher,mich in
seine eigene Suche nach Anerkennung bei seinen Bekannten und nach einer Frau einzu-
binden. Es gelangmir einfach nicht,mich irgendwann aus dieser zu schnell entstandenen
166Unsere im Abschnitt 3.1 beschriebene Klassenfahrt nach Heidelberg haben meine Präferenz für
diese im ihrem Kern sehr reizvolle Stadt wohl ebenso wie einschlägige Filme geprägt, vor allem die
Heidelberger Romanze aus dem Jahre 1951 mit Liselotte Pulver und O.W. Fischer (https://de.wiki-
pedia.org/wiki/Heidelberger_Romanze, Zugriff 14.3.2016).
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427