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4.1. QUALIFIZIERUNGALSWISSENSCHAFTLER 299
Downtown Detroit am Detroit River, zugleich die Grenze zu Kanada, war damals von
einemSlumgürtelumgeben.UnsereWohnanlagebefandsichandessenäußeremRand.Der
Fußweg indie Innenstadt führtealsomittendurcheinevölligheruntergekommeneRegion,
inderverfetteteNegervorverwahrlostenHolzhäusern lungerten.Wirwurdeneindringlich
davor gewarnt, dieseRegion zuFuß zu betreten. Imübrigenwarenwir ohnehinwohl die
einzigenFußgänger indieser Stadt, inderdieBewohner auchkurzeStreckennurmitdem
Auto zurücklegten.DiemeistenderBewohner inderAnlagewarenSchwarze.Wir fanden
einenMöbelverleih, bei demwir uns die nötigsten Gegenstände wie Bett, Tisch, Stühle
etc. für das knappe Jahr ausleihen konnten.
Wie gesagt, dasAutowar und ist wohl noch immer in denUSA ein zentraler Lebens-
bezugspunkt. Daher ist man ohne USA-Führerschein ein absoluter Nobody, denn dieser
dient beispielsweise zugleich als Personalausweis. Auch dieVersicherung unseresWagens
erforderte dieVorlage eines inländischenFührerscheins. Also beantragte ich unterVorla-
gemeines deutschenFührerscheins ein solchesDokument. Selten inmeinemLeben erfuhr
ich eine derart demütigende Behandlung wie in diesem dafür zuständigen Amt. Mein
bisheriger Schein galt null und nichts. Vielmehr bestandman auf derAbleistung der ge-
samtenFührerscheinprüfung. Ichmußtealsoerst eine schriftlichePrüfungabsolvieren,die
ich ohneVorbereitung aufAnhieb bestand, obwohl ichmanche derFragen infolgemeiner
beschränktenEnglischkenntnisseüberhauptnichtverstand.Erstdannwurde ichzurprak-
tischen Prüfung zugelassen. Diese konnteman im eigenenWagen absolvieren. Da ich ja
einen eigenenWagenhatte, standdemvermeintlichnichts imWege.Denkste!DerWagen
war inDeutschlandversichert,durftedamitzwar indenUSAvonmirherumgefahren,aber
nicht für eine Führerscheinprüfung benutzt werden. Erst wenn ich eineUS-Versicherung
vorweisen könnte, wäre auch die Prüfung damit möglich. Aber um die Versicherung zu
erlangen, benötigte ich erst die Prüfung. So biß sich dieKatze in den Schwanz!Mit auf-
gestauterWut sprach ich beim Chef des Rechenzentrums, Herrn Monroe, vor und bat
ihn, mir seinenWagen auszuleihen. Mit großem Zögern blieb ihm schließlich nichts an-
deres übrig als einzuwilligen und er übergabmir für eine Stunde seinenRiesenschlitten,
mit dem ich zum Erstaunen der schwarzen Prüferin bei der Prüfungsstelle vorfuhr. Sie
lobte amEndederFahrt dannüberschwenglichmeineFahrkenntnisse, so als ob es höchst
verwunderlichwäre, daßman auch in einemLand außerhalb derUSA zumFahren eines
Autos in der Lage sein könnte. Jedenfalls war nun auch dieseHürde genommen.
DieDemütigungen, die ichmirnurbeiFlüchtlingen inderFremdenoch schlimmervor-
stellenkönnte,warendamitnochnichterschöpft.AuchwennichausDM-SichtvielGeld in
FormvondamalsüblichenTravellerCheques zumStart inderFremdemitgebrachthatte,
war dieses angesichts desKurses 1:4 durch die hohenStartausgabenwieWohnungskauti-
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427