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338 KAPITEL4. FORSCHERLEBEN
Hinsichtmanipulierbarwie einStrohhalmwar.AußerBauergehörtendemAusschußnoch
die beiden ihm völlig ergebenen Professoren Samelson und Eickel an. Diese drei verfaß-
ten dann auch die vernichtendenGutachten, während die beiden auswärtigenGutachter
Kurt Schütte undArnoldOberschelp jeweils in ihrenBeurteilungen zu verstehen gaben,
daß sie zum informatischen Inhalt mangels Fachkenntnis nichts sagen könnten.81Gegen
dieseGutachterlage konnte ein einzelnesMitglied desFachbereichs nichts ausrichten und
mußte der gutachterlichenEmpfehlung entsprechendderHabilitationsordnungwohl oder
übelmit seinerUnterschrift imUmlaufverfahren folgen.Ebensowenig konnte dasGericht
das unter rein formalen Gesichtspunkten buchstabengetreu durchgeführte Verfahren als
anfechtbar erklären, selbstwenn es die inhaltliche Fehlerhaftigkeit erkannt hätte. Sowar
es für Herrn Bauer ein Leichtes, sich für die von ihm wohl so empfundene Zurückwei-
sung seiner väterlichenFürsorgeund für denaus seiner Sicht fachlich falschenAnsatz zur
Programmierung anmir bitterlich zu rächen undmichmit einemgescheitertenHabilita-
tionsversuch akademisch quasi zu liquidieren.82
Aus heutiger Sicht undmit der eigenen reichhaltigen Erfahrung in der Betreuung von
jungenMitarbeitern hatmich das erneute Studiumder zugrundeliegendenAkten inmei-
ner Überzeugung bestärkt, daß mich an diesem so bedauerlich verlaufenen Verfahren
keine erkennbare Schuld trifft. Ich hatte dieArbeit in besterAbsicht erarbeitet.Der dar-
auf aufbauende spätere wissenschaftliche Erfolg bestätigt ihre Qualität.Mein damaliges
nationales und internationalesAnsehen untermauerten darüber hinausmeine für dieHa-
bilitationweit ausreichendeQualifikation. Ich zeigte in jederPhase desVerfahrensmeine
Kompromißbereitschaft mit Ausnahme der totalen Niederlage durch Zurückziehen mei-
nes Antrags (vor dessen tatsächlichem Scheitern). Auch persönlich bemühte ichmich in
unzähligenGesprächenumeine einvernehmlicheLösung.Der bereits erwähnteBrief vom
19.12.1976 anHerrn Bauer ist dafür ein überzeugendes Beispiel (unter vielen weiteren).
Darin erweise ich ihmbei allenMeinungsunterschiedenausdrücklichmeinenmenschlichen
Respekt und reiche ihm die Hand zumAbbau der Spannungen. Allerdings schreibt ihm
dies jemand auf gleicherAugenhöhe, der seiner Sache sehr sicher zu sein scheint und der
nicht die geringsteAndeutung zu einemKniefall macht. DieGeschichte ist voll vonBei-
spielen, in denen einAutokrat in einem solchenFall erst recht keineGnade fand und sei
es auch nur, umdenWillen desUntergebenen zu brechen.
81Die fünfGutachten samtmeiner inhaltlichenNachweise ihrer Fehlerhaftigkeit undderen gegnerische
Zurückweisungen befinden sich imAO17Habil-Prozess.Ohne dieAnstrengung desProzesseswären die
Gutachten ebenso wie deren inhaltliche Fehleinschätzungen nie ans Tageslicht gekommen. Darin also
bestand sein Sinn, auchwenn er schließlich verloren ging.
82Wie bereits erwähnt ist mit meiner Ausnahme kein Fall bekannt, in dem ein an der Habilitation
gescheiterterKandidat später doch nochProfessor gewordenwäre.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Titel
- Reflexionen vor Reflexen
- Untertitel
- Memoiren eines Forschers
- Autor
- L. Wolfgang Bibel
- Verlag
- Cuviller Verlag Göttingen
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 464
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427