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16 Einleitung
Samo, der seine Zugehörigkeit zur slawischen Kultur mit der Annahme spezieller
Ehesitten und seinem Gewand demonstriert.18 Auch politische Grenzen können
im frühen Mittelalter nicht so einfach definiert werden. Obwohl Norditalien ab
568 als langobardisch gilt, finden sich dort noch Ende des 6. Jh. Städte, die von
byzantinischen Truppen gehalten werden.19 Die bairische Herrschaft in den Alpen
Ende des 7. Jh. wird letztendlich aufgrund der Anwesenheit eines einzigen Grafen
in Bozen angenommen.20
In diesem Zusammenhang wird eine besondere Problematik dieser Arbeit deut-
lich : Die Menschen der Alpen sind zwar durch einen gleichartigen Naturraum
und eine noch in der Spätantike und dann wieder im 9. Jh. einheitliche Herrschaft
geeint, aber heute durch die politischen Grenzen und Sprachen getrennt. Immer
noch wird gerne eine Geschichte nach den aktuellen politischen Grenzen oder re-
gionalen Einheiten geschrieben, obwohl die damaligen politischen und ethnischen
Verhältnisse völlig anders waren. Dies hat einerseits zahlreiche Überlappungen zur
Folge – so hat etwa sowohl die slowenische als auch die österreichische Forschung
Interesse am heutigen Kärntner Raum –, andererseits große Forschungslücken. So
ist beispielsweise die Frühgeschichte der Steiermark nur wenig erforscht. Außer-
dem fehlt der vergleichende Blick auf alle Alpenregionen – eine Leerstelle, die für
das frühe Mittelalter mit dem vorliegenden Text geschlossen werden soll. Nur ge-
legentlich dienten naturräumliche oder frühmittelalterliche Grenzen innerhalb der
Alpen als Rahmen für Publikationen. Ein Beispiel wäre etwa die Geschichte des
Inntales von vorrömischer bis mittelalterliche Zeit von Irmtraut Heitmeier oder
Reinhold Kaisers Werk über den frühmittelalterlichen Herrschaftsraum von Chur-
rätien. Auch das Reich der Karantanen befand sich fast ausschließlich in den Alpen.
Mit ihm befassten sich die Monografien von Hans-Dietrich Kahl (2002) und Paul
Gleirscher (2000). Grenzüberschreitende Überblickswerke, wie der „Atlas culturel
des Alpes occidentales“ (2004), der von Colette Jourdain-Annequin herausgege-
ben wurde und alle wichtigen historischen und archäologischen Forschungsergeb-
nisse der letzten 50 Jahre über den antiken und mittelalterlichen Westalpenraum
zusammenfasst, blieben eine rare Ausnahme. Auch der Band „Frühe Kirchen im
östlichen Alpengebiet“ von Hans Rudolf Sennhauser (Hg., 2003) orientiert sich
ausdrücklich nicht an moderne Grenzen.
Viele Fragen zum Alpenraum müssen aus allgemeinen Werken über das frühe
Mittelalter und die Spätantike herausgefiltert werden. Diese hier alle anzu führen,
18 Fredegar IV 68.
19 Gregor von Tours Hist. IV 44.
20 Paulus Diaconus Hist. Lang. V 36. Mehr dazu im Kapitel „Grenzen in den Alpen“ ab S. 83.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361