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26 Naturraum Alpen
gibt es zahlreiche von West nach Ost verlaufende Täler, wie das Inntal, Salzachtal,
Ennstal, Murtal und das Puster- sowie Drautal. Diese Täler sind relativ breit und
niedrig und daher bedeutende und alte Siedlungskammern. Wichtig für den Ver-
kehr waren aber eher die von Nord nach Süd orientierten Täler der Zentralalpen,
beispielsweise das Etschtal und das Hinterrhein- und Rheintal über Chur zum
Bodensee sowie die daran südlich anschließenden Talschaften, die in die oberitali-
enischen Seen münden.
Das dem Boden zugrunde liegende Gestein bestimmt maßgeblich die Nutzung
der Landschaft durch den Menschen. Gebirgsstöcke aus den alten kristallinen Ge-
steinen, zum Beispiel Gneis oder Granit, sind sehr hart und bilden deshalb die
höchsten Massive der Alpen. Diese harten Gesteine des Alpenhauptkammes sind
jedoch nicht sehr siedlungsfreundlich. Ebenso wenig günstig für die Besiedlung
sind Berge aus Kalk. In den Alpen ziehen sich im Norden breite Kalkgürtel von
den Seealpen über das Schweizer Mittelland bis hin zu den Voralpen am Ostrand
der Alpen. Auch der Südrand der Alpen besteht ab den oberitalienischen Seen
aus Kalk, der durch seine beeindruckend steil aufragenden Bergformen den Topos
der Alpen als „Mauer“ gefördert haben mag. Für die Landwirtschaft ist Kalk aller-
dings aufgrund seiner Härte und des Wassermangels eher ungünstig, denn in den
ausgedehnten Karstgebieten der Voralpen fließt das Wasser nicht oberflächlich ab,
sondern versickert, um unterirdisch in Höhlensystemen abzufließen.12 Günstig für
die menschliche Bewirtschaftung sind hingegen weiche Sedimentgesteine, die sich
als breites Band genau entlang der Haupttäler der Alpen zwischen dem voralpinen
Kalk und den hauptalpinen kristallinen Gebirgsstöcken befinden. Hier konnten
sich für die Landwirtschaft geeignete Böden bilden, weshalb die dort liegenden
Täler als „ausgesprochene Gunsträume“ bezeichnet werden.13
Während die West- und Zentralalpen durch hohe Gebirgsstöcke und hoch-
alpine Gras- und Ödflächen geprägt werden, sind in den Ostalpen die Wälder
charakteristisch, denn die Berge der Ostalpen sind oft nur wenig höher als die
Waldgrenze. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Bewirtschaftung aus : Heute wird
Ackerbau und Waldwirtschaft eher im Inneren der Alpen betrieben, während sich
die Bewohner der Täler der Ostalpen und des nördlichen Alpenrandes vor allem
der Grünlandwirtschaft zugewendet haben.14
Die Eiszeit brachte vorteilhafte Entwicklungen für den Menschen, denn die
Gletscher verbreiterten die Täler, schufen die Terrassen an den Talhängen und die
12 Bätzing, Alpen 29 f.; Veit, Alpen 114.
13 Bätzing, Alpen 26 ff.
14 Borsdorf (Hg.), Alpenatlas 71 ff.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361